ANALYSE. Warum eine Neuausrichtung der Wiener Grünen nicht zuletzt auch im Sinne der Rechten ist: Sie könnten Gegner bekommen, die ihnen derzeit fehlen.
Zugegeben, das mit „Links“ und „Rechts“ ist ein bisschen unscharf geworden: Schwarz-blaue Pensionspolitik ist zum Beispiel ganz schön links, den Zugang zur Mindestsicherung kann man dagegen als rechts bezeichnen. Berücksichtigt man abgesehen davon aber die nach wie vor bestimmenden Themen Asyl und Migration, dann steht Schwarz-Blau alles in allem wohl klar rechts von der Mitte. Von dort bestimmt es die gesamte österreichische Innenpolitik. Und zwar mit einer solchen Dominanz, dass es ÖVP und FPÖ auf Dauer selbst nicht gut tun kann.
Die Linke ist zuletzt kaum noch feststellbar gewesen. Soweit vorhanden, hatte sie in der Sozialdemokratie wenig zu sagen. Die Asyl- und Migrationspolitik der SPÖ ist eher zu einer abgeschwächten Kopie schwarz-blauer geworden. Grenzkontrollen, Burka-Verbot etc. hat sie mitbeschlossen, verkörpert wird das in ihren Reihen durch Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der demnächst burgenländischer Landeshauptmann werden soll.
Die Grünen wiederum müssen sich erst wieder aufrichten. Wobei ihre Wiener Spitzenkandidatin Birgit Hebein sehr unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie für eine linke Politik stehe. Da könnte man jetzt ätzen, dass die Partei damit kaum groß werden kann. Doch Vorsicht: Sie unternimmt zumindest den Versuch, sich wieder ein klares Profil zu geben. Und damit kann sie – gemessen an ihrem heutigen Zustand – wohl nur gewinnen.
ÖVP und mehr noch FPÖ brauchen wahrnehmbare Linke, gegen die sie sich stellen können.
Ganz besonders in Österreich und mehr noch in der Millionenstadt Wien, wo es eine Klientel für ein solches Angebot gibt: Im Unterschied zu Deutschland liegt die Linke hierzulande brach. Menschen, die einen starken Sozialstaat und vielleicht auch eine Willkommenskultur gegenüber Fremden wollen, haben sich zuletzt schwergetan, eine wählbare Partei zu finden.
Dass sich die Wiener Grünen entsprechend positionieren wollen, ist im Übrigen auch im Sinne rechter Parteien: Wettbewerb nützt ihnen, würden sie weiter die inhaltliche Alleinherrschaft innehaben, würde es nicht nur langweilig werden für sie. Es ist darüber hinaus ein entscheidender Mobilisierungsfaktor für Parteien wie die ÖVP und mehr noch die FPÖ, sich gegen Linke stellen, an diesen reiben und vor allerhand warnen zu können. Was naturgemäß nur dann geht, wenn diese Linke auch wahrnehmbar sind.
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