ANALYSE. Damit sich die ÖVP auf Bundesebene auf eine „Große Koalition plus“ einlässt, muss dem steirischen Landeshauptmann Drexler ein Wunder gelingen.
Brückenbauer seien aktiv, behauptet die „Krone“ und berichtet, es gebe einen „Geheimplan“ für eine Neuauflage dessen, was noch immer als „Große Koalition“ bezeichnet wird, also eine Regierungszusammenarbeit von SPÖ und ÖVP. Der Haken: SPÖ-Chef Andreas Babler ist nicht involviert und auch bei der ÖVP sind keine Größen engagiert. Es ist eher so, dass bei den Sozialdemokraten insbesondere der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (bekanntermaßen) ein Interesse daran hätte und dass diese Option bei den Türkisen, von Bundesobmann Karl Nehammer abwärts, gerne warmgehalten wird.
In Wirklichkeit ist die ÖVP sehr klar in Richtung Blau-Türkis unterwegs. Natürlich: Herbert Kickl ist ein Hindernis. Nehammer will zwar nicht mit ihm, ins Gewicht fällt aber nicht nur, dass er nach einer krachenden Wahlniederlage möglicherwiese keine Rolle mehr spielt. Wichtiger ist, dass sich gerade die türkise ÖVP von ihrem Selbstverständnis her auch als Absage an die SPÖ versteht; und vor allem, dass die ÖVP gezielt FPÖ-Wähler umwirbt – vom Binnen-I-Verbot bis zur einschlägigen Migrationspolitik. Damit wird Blau-Türkis schier alternativlos für sie: Sie kann zentrale Ansagen nur mit den Freiheitlichen umsetzen. Mit jeder anderen Partnerwahl würde sie, die ohnehin schon in einer schweren Krise steht, nur noch größere Enttäuschungen auslösen in den eigenen Reihen.
Von daher könnte man jetzt aufhören, sich weiter mit einer „Großen Koalition plus“, auseinanderzusetzen, der neben SPÖ und ÖVP wohl Grüne oder Neos angehören müssten, damit es eine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene geben könnte. Es wäre aber zu einfach.
Natürlich gibt es auch in der Volkspartei Leute, denen eine solche Konstellation recht wäre. Verfechtern der europäischen Integration etwa, für die ein Pakt mit der FPÖ unerträglich wäre, zumal für Herbert Kickl ja nicht einmal ein „Öxit“ auf Dauer ausgeschlossen ist; oder sozialpartnerschaftlich orientierten Wirtschaftsvertretern.
Oder Landeshauptleuten. Der Tiroler Anton Mattle wäre ein Freund einer „Großen Koalition“. Er hat ja selbst erst eine auf Landesebene gebildet. Wobei man hier nicht zu viel hineininterpretieren sollte: Das war eine pragmatische Partnerwahl, die aus ÖVP-Sicht dem Landtagswahlergebnis vom Herbst 2022 entsprach. Die Partei hat damals nicht an die FPÖ, sondern an die SPÖ die meisten Stimmen verloren. Kaum zu glauben, aber wahr. Es war gerade noch in der Zeit, in der die Freiheitlichen auf Bundesebene noch nicht weit vorne lagen.
Der wichtigste, ja unfreiwillig entscheidende ÖVP-Anhänger von Rot-Türkis bzw. Türkis-Rot ist der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler. Vor einem Jahr hat er in einer Rede etwa betont, „an die Gestaltungskraft bürgerlich-sozialdemokratischer Regierungen“ zu glauben. Damit meinte er seine Regierung in Graz, aber auch eine mögliche in Wien.
Drexler würde seine Koalition gerne auch über die Landtagswahl im heurigen Spätherbst hinaus fortsetzen. Im Moment würde es jedoch keine Mehrheit dafür geben, wäre Drexler als Landeshauptmann wohl überhaupt Geschichte: Die ÖVP hält laut einer „Standard“-Umfrage 20 Prozent und liegt damit hinter der SPÖ (24 Prozent) und der FPÖ (26 Prozent).
These: Auf Drexler wird es bundespolitisch ankommen. Damit eine „Große Koalition plus“ zu einer ernstzunehmenden Option werden kann, muss er in der Steiermark einen Stimmungsumschwung herbeiführen. Nach der Nationalratswahl muss man davon ausgehen können, dass die ÖVP bei der dann folgenden Landtagswahl vorne bleibt; dass es seine Mehrheit für Türkis-Rot gibt; und dass die FPÖ nicht davonzieht. Vor allem letzteres wäre notwendig, damit sich jene in der türkisen Volkspartei, die „Sozis“ verachten und Anhänger einer rechtspopulistischen Politik sind, überstimmen lassen, quasi zu einer „GroKo“ zurückzukehren. Sonst wird das nichts. In der bedeutenden Steiermark muss sichtbar werden, was geht.