Kurz zu Diensten

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ANALYSE. Bei der Handydatensicherung versucht ein Teil der ÖVP, Druck auf die Justizministerin zu machen – und pfeift dabei auch auf verfassungsrechtliche Bedenken.

ÖVP-Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer hat ein Problem: Im April dürfte er laut „Presse“ dazu beigetragen haben, dass Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nicht mehr auf die Einführung eines Zitierverbotes aus Ermittlungsakten bestand. Medienvertreter atmeten auf. Ein solches Verbot hätte es in der Vergangenheit zum Beispiel schwer gemacht, zu berichten, wie sich Ex- und da und dort Noch-immer-ÖVP-Hoffnungsträger Sebastian Kurz im Tagesgeschäft so geäußert hat. Wenn er nicht gerade Wählerinnen und Wählern schmeichelte, sondern anbot, ein Bundesland gegen einen Ausbau der Nachmittagsbetreuung für Kinder aufzuhetzen; oder dazu ermunterte, einem (aus seiner Sicht lästigen) Kirchenvertreter Vollgas zu geben.

Ein solches Verbot wäre also natürlich im Sinne der Türkisen im Allgemeinen und von Kurz im Besonderen. Daher ist es Edtstadler, die von ihm einst in die Politik geholt worden ist, auch so wichtig. Und Nehammer umgekehrt weniger, er will ja nicht als derjenige dastehen, der eine Regierungstruppe führt, die seinem Vorgänger zu Diensten ist. Er würde wie der bloße Statthalter wirken. Sein Problem: Vor drei Monaten stieg Edtstadler für den Moment vom Gas, um dann aber bald wieder Druck zu machen. In der „Krone“ forderte sie jetzt ein „Verbot von Verdachtsberichterstattung“. Ein neuer Ausdruck für das Zitierverbot.

Treppenwitz: Die ÖVP selbst hat zuletzt eine solche Verdachtsberichterstattung befeuert. Und zwar, indem sie nicht etwa behauptete, dass Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) aus ihrer Sicht möglicherweise Verfassungsbruch begangen habe und das zu erklären sei; sondern indem sie gleich das Urteil „Verfassungsbruch!“ fällte.

Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Aber man bleibt dabei. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker tut es etwa, wenn er ebenfalls im Interesse von Kurz auf eine rasche Umsetzung der geplanten Handydatensicherung drängt. Eine solche ist nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zwar notwendig, aber erst mit 1. Jänner 2025 und nicht zwangsläufig in der geplanten Form. Im Gegenteil, es ist vielleicht sogar ein Glück, dass Justizministerin Alma Zadic (Grüne) spät, aber doch zögerte und sie nicht so mir nichts, dir nichts durch die Abgeordneten des Hohen Hauses beschließen ließ.

Stocker gibt sich empört darüber, unterstellt Zadic, wie Gewessler Schwierigkeiten mit der Verfassung zu haben. Unfreiwillig zeigt er, der nebenberuflich Rechtsanwalt ist, damit jedoch, dass ihm die Verfassung vollkommen egal ist.

Durch die Neuregelung vorgesehen ist, dass Handydatensicherungen künftig nur nach richterlicher Genehmigung und durch die Kriminalpolizei möglich sind, die die Daten dann auch verwahren soll. Politischer Nebeneffekt: Die Kriminalpolizei ist dem Innenministerium zugeordnet, das seit Jahren meist durch einen Vertreter, eine Vertreterin der ÖVP geführt wird.

Es mehren sich jedoch die Hinweise darauf, dass die geplante Fassung erst recht wieder rechtlich problematisch wäre. Durch die Aufgaben für die Kriminalpolizei wäre die Rolle der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ nicht mehr gewährleistet, meint etwa der Oberste Gerichtshof, also nicht irgendwer.

Und die Innsbrucker Strafrechtsprofessoren Klaus Schwaighofer und Andreas Venier warnen nun überhaupt vor einer möglichen Verfassungswidrigkeit: Wesentlich bei der Neuregelung wäre aufgrund des VfGH-Erkenntnisses ihres Erachtens, einen „Ausgleich zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Interesse der (verdächtigen oder unverdächtigen) Betroffenen auf Schutz ihrer Grundrechte vorzunehmen“. Dem werde jedoch nicht Genüge getan, schreiben die beiden und erklären: „Das Gesetz wäre also in diesem Punkt wie schon sein Vorgänger verfassungswidrig.“

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