ANALYSE. Die auflagenstärkste Zeitung des Landes macht Stimmung für eine blau-türkise Bundesregierung.
„Winnetou muss Winnetou bleiben“, forderte die „Kronen Zeitung“ in einer eigenen Kampagne im jüngsten Nationalratswahlkampf: Es müsse Schluss sein mit „Woke-Zensur und dem Gendern“. Auch bei Asyl und Integration sollte dem Boulevardblatt zufolge endlich Härte angesagt sein. Das entspreche dem Wunsch einer Mehrheit im Land, wie eine eigene Umfrage ergeben habe.
Im Übrigen hat es Zugängen entsprochen, wie man sie aus der türkis-blauen Koalition in Niederösterreich und von ÖVP und FPÖ auf Bundesebene kennt. Karl Nehammer (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ) kann die Kampagne, die unter dem Titel „Die Stimme Österreichs“ lief, jedenfalls nicht missfallen haben. Im Gegenteil: Ihre Themen sind hier behandelt und verstärkt worden, bisweilen durften sie auch zu Wort kommen. Danke!
Was treibt die „Kronen Zeitung“ an? Im Grunde genommen ist es sehr einfach. Ein großes Boulevardblatt, das ein großes Boulevardblatt bleiben möchte, orientiert sich an der Stimmungslage. Und die ist insgesamt stärker denn je nach rechts gedreht.
Für die Zeitung, die in ihrer Geschichte immer wieder kampagnisiert hat, kommt hinzu, dass sie wie alle Zeitungen zu kämpfen hat. Die Entwicklung der Reichweite, wie sie auf der Seite der „Media-Analyse“ ausgewiesen wird, lässt tief blicken: Die Daten beginnen im Jahr 2009. Damals hatte die „Krone“ 2,85 Millionen Leserinnen und Leser. 2023 handelte es sich um 40 Prozent weniger: 1,71 Millionen.
„Die Stimme Österreichs“ war die Stimme der „Krone“ und ist nicht verstummt. Die Kampagne läuft anders, aber doch weiter: Seit Tagen wird – wie hier berichtet – Stimmung gegen die „Zuckerl-Koalition“, also Türkis-Rot-Pink gemacht, seit Tagen wird Stimmung für Blau-Türkis gemacht. Alles, was dazu passt, ist willkommen. Eine Wortmeldung eines Innsbrucker Bürgermeisters, den westlich von Hötting und östlich von Amras kaum jemand kennt, gerne!
Oder jetzt der Auftakt zur Bildung einer blau-türkisen Koalition in der Steiermark. Da lässt man Hebert Kickl sprechen: „Dass der Erstplatzierte dem Wählerwillen folgend die Verhandlungen für die Bildung einer neuen Landesregierung anführt und der Zweitplatzierte nach den entsprechenden Gesprächen nun in diese eintritt, ist die demokratische, logische und normale Folge daraus.“ Mit dem schwergewichtigen Nachsatz: „Und das gilt nicht nur für die Steiermark.“
Da habe Kickl nicht unrecht, so die Zeitung weiter: „Aber obwohl bald fünf Bundesländer schwarz-blau regiert werden, bewegen sich Karl Nehammer und die Bundes-ÖVP nicht. Noch nicht.“ Die unter der Patronanz von Bundespräsident Alexander Van der Bellen geplante Wiener Allianz gegen Kickl mit Nehammer, Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) wirke „schon jetzt auf verlorenem Posten“.
Verloren ist sie in gewisser Weise vielleicht aus massenmedialer Sicht. Die „Krone“ tendiert eher zu Politikern, die gerade oben und vielleicht auch populär sind. Mit dem Wiener Bürgermeister, einem Sozialdemokraten, hat sie kein Problem. Keines hatte sie auch mit dem Sozialdemokraten Werner Faymann, als dieser Kanzler war. Sogar Tiere würden ihn wählen, hat sie einmal behauptet. Kein Schmäh.
Von Sebastian Kurz war sie angetan. Hin und weg. Der Mann brachte Quote. Karl Nehammer bringt keine, Herbert Kickl hingegen sehr wohl wieder eine. Was ist damit gemeint? Nehammer polarisiert nicht, er regt kaum jemanden auf, hat auch keine Fans, die kreischen, wenn er irgendwo auftritt. Das spricht nicht gegen ihn als Politiker (im Gegenteil); für Medien, die um Reichweiten kämpfen, ist er jedoch eine Katastrophe.
Was damit gemeint ist, kann man erahnen, wenn man „Google-Suchanfragen“ für Nehammer und Kickl in Österreich vergleicht. Da gibt es in der Regel viel mehr für Kickl, am Tag der Nationalratswahl handelte es sich zum zweieinhalb Mal mehr. Diese Suchanfragen stehen dafür, dass es in der gesamten Bevölkerung wesentlich mehr Interesse für Kickl gibt als für Nehammer. Positives wie negatives. Aber das ist nebensächlich: Wie Kurz holt er seiner Partei nicht nur eine relative Mehrheit bei einer Nationalratswahl, sondern sorgt auch darüber hinaus für Quoten.
Das ist das eine. Das andere: Einer „Zuckerl-Koalition“ würden auch Andreas Babler (SPÖ) und Neos angehören, die öffentliche Inserate kritisch bis ablehnend sehen. Da ist es dann überhaupt aus.