ANALYSE. Rot-Schwarz steuert auf den großen Krach zu. Doch wie kann es dann weitergehen? Die Szenerien im Überblick.
Der Bundeskanzler lässt sich vorführen, der Vizekanzler spricht ihm Führungsqualitäten ab: Spätestens seit dem Asylgipfel am Mittwochabend am Wiener Ballhausplatz ist klar, dass SPÖ und ÖVP bzw. Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner miteinander fertig sind. Doch die Sache ist viel komplizierter, als es dann einfach ohne die beiden (oder einen der beiden) weitergehen könnte. Schon allein die Krise der Sozialdemokratie sorgt dafür: Sehr viel spricht dafür, dass ein Führungswechsel dort Ausgangspunkt für alle weiteren Entwicklungen ist. Die Szenarien im Überblick.
Für den Kanzler und SPÖ-Vorsitzenden sind die Aussichten schlecht. Zu groß scheinen die Probleme seiner Partei zu sein, als dass er sich halten könnte. Bei den Landtagswahlen in Wien und Oberösterreich stehen weitere Niederlagen an. Will man sich nicht ganz aufgeben, muss man sich erneuern. Mit einem neuen Chef. Ex-ORF-General Gerhard Zeiler hat sich bereits selbst und in aller Öffentlichkeit beworben; womit er sich wohl gleich wieder aus dem Rennen genommen hat. Bleibt Bahnchef Christian Kern.
Dieses Szenario muss natürlich auch die ÖVP sehen. Und aus ihrer Sicht ergeben sich daraus drei mögliche Konsequenzen: Sie reagiert schnell und unterstreicht, dass die Koalition aufgrund mangelnder Führungsqualität und interner Durchsetzungskraft Faymanns nicht fortgesetzt werden könne. Sie lässt geschehen, was da kommt. Oder sie macht einem SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern von allem Anfang an das Leben schwer.
Die Volkspartei und ihr Obmann, Reinhold Mitterlehner, müssen natürlich auch an ihre eigene Zukunft denken. Sie schaut zunächst einmal nicht viel rosiger aus als jene der Sozialdemokratie. Und Mitterlehner wird sich nicht ewig nur mit dem Posten des Vizekanzlers begnügen können. Also muss er handeln, was für die möglichen Konsequenzen eins und drei spricht: Koalitionsbruch. Oder einen Christian Kern gar nicht erst erfolgreich werden lassen.
Wie letzteres geht, hat die ÖVP 2006 bis 2008 unter ihrem damaligen Führungsgespann Wilhelm Molterer (Parteichef) und Wolfgang Schüssel (Klubobmann) gezeigt. Sie machte Alfred Gusenbauer das Leben als Kanzler von allem Anfang an so schwer, dass dieser nach nicht einmal zwei Jahren abdanken musste.
Ein Christian Kern müsste dies also bedenken. Und womöglich selbst gleich die Reißleine ziehen und in der Hoffnung, dass seine Partei unter seiner Führung wieder Tritt fasst, einen vorgezogenen Urnengang riskieren.
Für die ÖVP wiederum macht ein Koalitionsbruch nur unter zwei Umständen Sinn: Sie bringt einen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau zustande und Mitterlehner kann sich als Chef der stärkeren Partei noch gut drei Jahre lang als Kanzler profilieren. Oder sie geht in der Gewissheit in Neuwahlen, dass die FPÖ danach mit ihr zusammenarbeitet und ihr auch dann das Kanzleramt überlässt, wenn sie nur zweit- oder gar drittstärkste Kraft wird. Dass sie noch einmal mit der SPÖ koalieren würde, ist jedenfalls auszuschließen.