Koalitionsbruchstelle

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ANALYSE. Die ÖVP versucht, mutmaßlichen Postenschacher als Bürgerdienst abzutun und eine Auslieferung Wögingers ganz offensichtlich zu verhindern. Für die Grünen wird das schwierig.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wurde im Interview mit der Sonntagskrone nicht zu irgendeinem Politikerservice befragt, sondern zum mutmaßlichen Postenschacher, der ÖVP-Klublobmann August Wöginger ein Auslieferungsbegehren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingehandelt hat. Auf Basis von Chats zwischen diesem und Thomas Schmid, der damals, vor rund fünf Jahren, im Finanzministerium tätigt war, besteht der Verdacht, er habe einem ÖVP-Bürgermeister aus seiner Heimatregion zur Leitung eines Finanzamtes verholfen. Eine andere Bewerberin ging leer aus, obwohl sie – laut einem späteren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – bestgeeignete Kandidatin gewesen wäre.

Antwort Nehammer: „Was August Wöginger betrifft, muss ich schon bitten zu akzeptieren, dass es die Aufgabe eines Abgeordneten ist, dass er Kontakte zu Bürgerinnen und Bürgern hat und sich für deren Anliegen einsetzt und ihnen hilft. Der Kollege Wöginger ist im Innviertel einer der beliebtesten Kandidaten, mit 12.000 Vorzugsstimmen direkt gewählt. Da werden nicht nur all jene Politikerinnen und Politiker mit kriminalisiert, die alleinerziehenden Müttern helfen, einen Kindergartenplatz zu finden oder die Eltern unterstützen, damit sie eine Wohnung für ihr Kind bekommen, das in Wien studiert. Es werden auch die Menschen kriminalisiert, die sich mit einem Anliegen an Politiker wenden. Sich für Menschen einzusetzen, heißt noch lange nicht, Recht zu beugen.“

War der ÖVP-Bürgermeister alleinerziehender Vater? Ging es in seinem Fall um einen Platz in einem Studentenheim oder darum, Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen? Wohl kaum. Die „Salzburger Nachrichten“ haben den Fall in einer Schlagzeile zusammengefasst: „Wie ein ÖVP-Bürgermeister über Umwege zum Traumjob kam“. Darum geht es. Wögingers Beitrag ist aufzuklären. Es gilt die Unschuldsvermutung. Und Punkt.

Der Bundeskanzler und designierte Parteiobmann vermischt gezielt Verwerfliches mit Möglichem. Ersteres gehört geächtet, zweiteres behutsam praktiziert: Ein Politiker ist nicht dazu da, Gesinnungsfreunden auf Kosten anderer zu einem Vorteil zu verhelfen. Es gehört aber zu seinem Job, möglichst viel bei den Leuten draußen zu sein und bei Problemen unter Beachtung aller Gesetze und Verordnungen unter die Arme zu greifen. Wobei selbst das nicht unheikel ist, ist hier das Glück Einzelner doch vom Wohlwollen des Politikers abhängig. Ein funktionierendes System sollte so etwas nicht notwendig machen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der Versuch von Nehammer, den Eindruck zu vermitteln, „Gust“ Wöginger habe nur pflichtbewusst Gutes tun wollen, lässt erahnen, worauf es hinauslaufen soll: Der Klubobmann soll nicht ausgeliefert werden. Parlamentsexperte Werner Zögernitz, ehemals Klubdirektor der ÖVP, hat sich bereits dagegen ausgesprochen – auch er stellte es so dar, als habe sich Wöginger ausschließlich im Rahmen seiner parlamentarischen Tätigkeit für besagten ÖVP-Bürgermeister stark gemacht.

Hier wird ganz offensichtlich bewusst ein potenzieller Koalitionskonflikt aufgebaut: Gegen den Willen der Volkspartei können die Grünen schwer für eine Auslieferung Wögingers stimmen. Sie würden damit die Zusammenarbeit riskieren – auch wenn sie auf der richtigen Seite stehen würden, könnte ihnen das als Koalitionsbruch ausgelegt werden.

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