Kickls Kalkül

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef fordert die Türkisen weit rechts heraus – gerade weil sie sich in einer Krise befinden und er vor gar nichts zurückschreckt, sollten seine Erfolgsaussichten ernst genommen werden.

Hebert Kickl ist der größten Zyniker der österreichischen Politik. Er schafft es, die FPÖ in einem Interview (wie hier in der ZIB 2) als Mitte-Rechts-Partei zu bezeichnen und gleichzeitig den Identitäten zu schmeicheln; oder einzugestehen, dass niemand bei der Partei und – aufgrund ihrer Radikalität – bei den Identitären dabei sein dürfe, ebendiese aber (z.B. hier) als „NGO“ zu verharmlosen.

In Wirklichkeit redet Kickl nur von „Mitte“, weil sich dort fast alle darstellen, positioniert die FPÖ aber weit rechts. Dort versucht er sich eine Basis für eine mögliche Rückkehr zur Großpartei aufzubauen. Dazu gehört für ihn auch dieses hemmungslose Werben um die Identitären.

Sein Ziel ist es, der türkisen ÖVP von rechts her Wählerinnen und Wähler wieder wegzunehmen. Mehr als eine halbe Million kommt ja von der FPÖ. Die Erfolgsaussichten sind beträchtlich. Die größte Stärkte ist auch die größte Schwäche der Türksien: Sie leben allein von Sebastian Kurz.

Kurz ist der einzige, der in einer direkten Auseinandersetzung mit Herbert Kickl bestehen kann. Das geling nicht einmal Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Siehe ORF-Sendung „Im Zentrum“ bzw. Einschätzung der „Kleinen Zeitung“ dazu: Kickl habe die Staatsbürgerschafts-Debatte gekapert. Mit seinem politischen Rowdytum habe er sich in den Mittelpunkt gestellt, für die übrigen Teilnehmer (inkl. Edtstadler) sei das sportlich eher wertlos gewesen.

Kurz selbst befindet sich mit der gesamten Regierung in einer veritablen Vertrauenskrise: Im „Heute“-Politikerranking gibt eine absolute Mehrheit von 55 Prozent an, er sei ihnen zuletzt negativ auffallen. Nur einer Minderheit von 26 Prozent ist er positiv aufgefallen. Anfang 2020 war es beinahe umgekehrt. Ähnlich verhält es sich bei den Werten der Regierung. Beim „Eurobaromter“ vom Frühjahr gaben 57 Prozent an, ihr eher nicht zu vertrauen. Sie ist gerade unten durch.

An diesem Punkt setzt Kickl in Verbindung mit den jüngsten Affären an, wenn er etwa von „türkisen Karrieristen“ spricht, die sich selbst bedienen und die Republik zugrunde richten würden: Das hat etwas von 2016. Damals gab es ebenfalls eine Regierung, die in der öffentlichen Meinung sehr schlecht dastand; und damals wurde von Freiheitlichen unter anderem eine Kampagne gegen ein „Establishment“ betrieben. Neben der Flüchtlingskrise war das eine Gemengelage, die einen unscheinbaren Mann wie Norbert Hofer beinahe Bundespräsident werden ließ.

Man sollte sich nicht wundern, wenn die FPÖ unter Kickl wieder zu Wahlerfolgen und letztlich auch Macht gelangen sollte: Nicht so sehr, weil seine Politik auf große Unterstützung stoßen würde, sondern weil er allein aus Protest, Unmut und Frustration über Hoffnungen unterstützt wird, die Sebastian Kurz geweckt hat, jedoch dabei ist, zu enttäuschen.

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