Kickls bester Mann

-

ANALYSE. Stiftungsrat Lederer unterstellt dem ORF pauschal, „Oberlehrer“ zu sein: Eine Diskreditierung von Redaktionen und den Journalisten, die ihnen angehören.

„ORF macht sich für Kickl fertig“, hieß es hier vor ziemlich genau einem Jahr: Heinz Lederer, sozialdemokratischer Vertreter im Stiftungsrat des öffentlich-rechtlichen Senders, hatte einen „knallharten Codex“ inkl. Twitter- bzw. X-Beschränkungen für dessen Mitarbeiter gefordert. ÖVP-Mann Thomas Zach pflichtete ihm bei: Es brauche klare Regeln mit klaren Konsequenzen.

Aufgrund absehbarer politischer Veränderungen sollte der ORF streng mit sich und seinen Leuten sein. Offensichtlicher Hintergedanke: Sollte Herbert Kickl (FPÖ) Kanzler werden, sollte er keine Notwendigkeit mehr sehen, einen Grundfunk daraus zu machen, die Haushaltsabgabe abzuschaffen und auf eine Finanzierung aus dem Budget umzusteigen, sodass er direkt von seiner Regierung abhängig wird.

Es ist ein schönes Beispiel für Naivität und vorauseilenden Gehorsam gleichermaßen: Kickl kann’s kein Medium recht machen, sofern es sich Journalismus, also Bürgerinnen und Bürgern, verpflichtet fühlt. Schlimmer: Glaubt man, es ihm recht machen zu müssen, versteht er das als Einladung, sich alles zurechtzurichten, wie es ihm gefällt.

Der „knallharte Codex“ ist letzten Endes eingeführt worden. Hat es jedoch dazu geführt, dass Kickl die Finger lässt vom ORF? Nein, ganz und gar nicht. Der Umstieg auf eine Finanzierung aus dem Budget könnte sich allenfalls verzögern, weil dort gerade kein Geld ist. Einstweilen wird daher eher die Haushaltsabgabe gesenkt, sodass Angebote wie Ö1 in der gewohnten Qualität sowie ORF III und FM4 überhaupt gefährdet sind.

Umso bemerkenswerter ist, dass Heinz Lederer nichts daraus gelernt hat. „Der ORF darf nicht der Oberlehrer sein“, hat er der „Kleinen Zeitung“ gerade diktiert: „Es brauche mehr Bodenhaftung, auch andere Sendungsformate, um nicht länger nur alles von oben herab zu erklären; es sei notwendig, auch das Publikum verstärkt einzubinden und so den Menschen zu ermöglichen, sich selbst eine Meinung zu bilden, zitiert die Zeitung ihn weiter.

Der Nachsatz, dass das alles aber keinesfalls als Unterwerfungsgeste daherkommen dürfe, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Hier redet einer wie Kickl. In Wort und Stil: „Oberlehrer“ – und das allgemein und vollkommen undifferenziert. Alles werde von oben herab erklärt. Als werde das Publikum insgesamt für dumm verkauft: Das ist eine pauschale Diskreditierung von Redaktionen und den Journalisten, die ihnen angehören.

Kickl sagt danke: Er wird hier bestärkt in seinem Tun.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner