#Kickl Umfärben, bestrafen und hetzen

ANALYSE. Der Innenminister geht systematisch und bemerkenswert offen vor. Soll niemand sagen, er hätte nichts davon gewusst. 

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ANALYSE. Der Innenminister geht systematisch und bemerkenswert offen vor. Soll niemand sagen, er hätte nichts davon gewusst.

Dass ein freiheitlicher Innenminister „sein“ Ressort, das er von den Schwarzen übernommen hat, umfärbt, war zu erwarten. Das hat einst auch der erste Schwarze nach vielen Roten getan. Dass dieser Innenminister eine selektive Medienarbeit betreibt, war bekannt; das hat er z.B. schon mit Inseraten für rechte Titel demonstrieren lassen. Aber so: Herbert Kickl geht mit aller Brutalität und vor allem auch so vor, dass es für die gesamte Öffentlichkeit wahrnehmbar ist. Ersteres ist längst nicht mehr akzeptabel; zweiteres trägt zumindest dazu bei, dass hinterher niemand sagen kann, er hätte nichts davon gewusst.

Wo soll man anfangen: Laut einem Aktenvermerk einer Staatsanwältin hat des Innenministers Generalsekretär Peter Goldgruber den Auftrag bekommen, im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) „aufzuräumen“. Das ist bekanntlich angelaufen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat schon nach den ersten Sitzungstagen den Eindruck verfestigt, dass hier mit Rambo-Methoden vorgegangen wurde. Ja, man muss heute davon ausgehen, dass das Innenressort für parteipolitisch motivierte Aktionen die Justiz missbraucht hat; und dass man sich dort eben auch ein Stück weit z.B. für Hausdurchsuchungen missbrauchen ließ.

Wenn Kickl in diesem Fall so agiert, warum nicht auch in einem anderen, in dem es z.B. um eine Privatperson geht?

Das ist so erschreckend, wie es inakzeptabel ist: Wenn Kickl in diesem Fall so agiert, warum nicht auch in einem ganz anderen, in dem es vielleicht nicht um eine Behörde, sondern eine Privatperson oder eine NGO geht? Ja, das sollte undenkbar sein, ist es aber eben nicht mehr – und das wiederum macht auch schon deutlich, dass hier eine sehr, sehr große Grenzüberschreitung stattgefunden hat, bei der man sich wundern muss, dass Kickl überhaupt noch Regierungsmitglied ist bzw. der Kanzler noch immer nachsichtig agiert.

Ergebnis: Kickl treibt es weiter. Aus seinem Ressort ist nun eine interne Empfehlung für den Umgang mit Medien bekannt geworden. „Kritische“ Blätter wie Kurier, Falter und Standard sollen demnach benachteiligt werden, die Kommunikation mit ihnen soll auf das nötigste beschränkt werden.

Das hat Methode: Der freiheitliche ORF-Stiftungsratschef Norbert Steger hat im Frühjahr gefordert, „nicht korrekte“ Korrespondenten zu streichen. Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache bezichtigte den Sender schon einmal der „Lüge“. Journalisten werden diffamiert – und eben sanktioniert. Kickl macht so gesehen nichts Neues, es hat jedoch eine neue Qualität: Er will, dass das staatliche Innenministerium diese parteipolitische Unkultur übernimmt. Das. Geht. Schon. Gar. Nicht. Doch selbst in diesem Fall zeigt der Kanzler eine gewisse Nachsicht: Zum einen distanziert sich Sebastian Kurz davon, zum anderen fügt er ein Aber hinzu, zeigt Verständnis für eine Änderung der Kommunikationsstrategie und relativiert bzw. verharmlost die ganze Sache damit auch schon wieder. In diesem Kontext kann, ja darf es schlicht und ergreifend kein Aber geben; das ist zu verhängnisvoll.

Wir sind noch nicht fertig: Kickl will, dass von der Polizei künftig verstärkt Sexualverbrechen inkl. Angaben über die Staatsbürgerschaft kommuniziert werden. Worauf das hinausläuft? Erstens eine Darstellung, die in die allgemeine Wahrnehmung übergehen soll, nämlich, dass das größte, wenn nicht einzige Sicherheitsproblem der Republik Sexualverbrechen von Ausländern seien. Zweitens, eine Vorverurteilung mutmaßlicher Täter (bisher galt zunächst die Unschuldsvermutung).

Warum auch das ganz und gar nicht geht, hat die FPÖ selbst gerade zwei Mal gezeigt: Zunächst bei ihrer nachweislich falschen Behauptung, ein von Bundespräsident Alexander Van der Bellen aufgesuchter Asylwerber sei Terror-Sympathisant. Und dann bei ihrer ebenso offensichtlich falschen Behauptung, aus einer ansonsten durchwegs mit Ausländern besetzten Schulklasse sei eine junge Österreicherin hinausgemobbt worden.

Eine solche Kommunikationspolitik ist durchschaubar wie brandgefährlich: Sie fördert Hetze gegen Fremde. Und wenn es vordergründig „nur“ um Stimmungsmache für Wahlerfolge geht, dann nimmt sie das in Kauf. Besser macht es das jedoch nicht. Im Gegenteil.

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