ANALYSE. Opposition heißt in den kommenden Jahren, ein Gegenmodell zu Schwarz-Blau zu entwickeln. Und das kann für den SPÖ-Chef nur in Wien funktionieren.
Die Sache verdichtet sich: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben ihre Regierungszusammenarbeit ziemlich geschickt angelegt; rein taktisch gesehen. Das Programm ist eher nur in Fragestellungen sehr konkret, die mehrheitsfähig sind. Das große Sparpaket sucht man vergeblich. Auch bei den Sozialpartnern herrscht zunächst einmal Zurückhaltung: Sie sollen selber sagen, wo sie bei sich Kürzungen vornehmen würden. Und überhaupt: Für die nächste Nationalratswahl ist bereits so weit vorgesorgt, dass das eine Volksabstimmung über einen Ausbau der direkten Demokratie werden könnte. Mit klaren Verhältnissen: ÖVP, FPÖ und vielleicht auch die Neos dafür, die SPÖ dagegen.
Man sieht: So wie das Ganze aufgesetzt ist, wird es extrem schwer, Opposition zu sein. Besonders für eine Volkspartei, wie es die Sozialdemokratie noch immer ist: Christian Kern muss davon ausgehen, dass seine Anhängerschaft einen wesentlichen Teil der schwarz-blauen Politik unterstützt. Wie schon in der Vergangenheit, als er vor genau diesem Hintergrund zum Beispiel in Migrationsfragen zum Getriebenen von Sebastian Kurz verkam.
Wie er da rauskommt? Am ehesten über Wien: Als Bürgermeister der Bundeshauptstadt könnte er für die Sozialdemokratie und damit auch seine eigene Zukunft in der Politik wesentlich mehr erreichen als auf der Oppositionsbank im Parlament.
Opposition gegen eine Regierung ist ja grundsätzlich schwer bis unmöglich, wenn diese von einer breiten Mehrheit und – in Österreich – vor allem auch den öffentlichen Diskurs bestimmenden Boulevardmedien getragen wird. Dann hat man eigentlich nur zwei Möglichkeiten: „Konstruktiv mitarbeiten“, was heißt, Schwarz-Blau zu bestätigen. Oder Kritik üben, was bedeutet, als verantwortungsloser „Nein-Sager“ dargestellt zu werden.
Wenn etwas gehen kann, dann – im Falle Kerns – eben das Bürgermeister-Amt in Wien: Einzig und allein als solcher kann er den dritten Weg, der ihm für die Sozialdemokratie vorschwebt, und den er versucht hat, in seinem „Plan A“ zu skizzieren, zumindest ansatzweise realisieren. Nur dort kann er ein gesellschaftspolitisch offenes Klima erzeugen, das einer gewissen Masse zeigt, dass es etwas anderes, aus ihrer Sicht besseres als Schwarz-Blau gibt.
Dazu kann die Bundeshauptstadt ein brauchbarer Boden sein: Dort war die SPÖ zumindest bisher noch immer stärker als österreichweit; dort sind höher Gebildete drauf und dran, zur größten Bevölkerungsgruppe nach maximalem Bildungsabschluss zu werden; dort gibt es das größte Mitte-Links-Wähler-Potenzial.
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