ANALYSE. Wenn der Koalitionspartner nicht will, hat der Kanzler ein schwer lösbares Problem. Doch das wäre auch diesmal absehbar gewesen.
Die Regierung, die der damalige SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer vor etwas mehr als zehn Jahren, am 11. Jänner 2007, bildete, war von allem Anfang an zum Scheitern verurteilt: Ein Teil davon war an einer Zusammenarbeit schlicht und ergreifend nicht interessiert. Jener nämlich, der formal zwar von Vizekanzler Wilhelm Molterer, in Wirklichkeit aber von dessen Klubobmann geführt wurde: Wolfgang Schüssel (ÖVP). Dieser hatte mit seiner Partei die Nationalratswahlen im Oktober 2006 überraschend klar verloren und das nie verwunden.
Im Nachhinein könnte man natürlich wieder einmal darüber schreiben, warum Gusenbauer es nicht gleich lassen hat und eine Minderheitsregierung gebildet hat. Das jedoch wäre müßig. Zumal der entscheidende Punkt dieser ist: Wenn in einer Koalitionsregierung nicht beide Koalitionspartner an einer Zusammenarbeit interessiert sind, hat ganz besonders der Kanzler ein schwer lösbares Problem.
Für Außenstehende ist der Kanzler der Chef, der anschafft. Also bleibt’s auch an ihm hängen, wenn er sich nicht durchsetzen kann.
Wie es Christian Kern nun eben hat: Die Weigerung des designierten ÖVP-Bundesparteiobmanns Sebastian Kurz, das Vizekanzleramt zu übernehmen, hat er nicht dadurch beantworten können, dass er diesen dazu zwang, es zu tun. Er musste das letzten Endes vielmehr zur Kenntnis nehmen – und damit auch schon seine Machtlosigkeit eingestehen. Was in seiner Wirkung kaum unterschätzt werden kann: Für Außenstehende ist er ja der Chef, der anschafft. Also bleibt’s auch an ihm hängen, wenn er sich nicht durchsetzen kann. Das mag ungerecht sein, ist aber so.
All das war freilich absehbar: Auch Kern konnte schließlich nicht verborgen bleiben, was in der Volkspartei abgeht. Von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka ist er ja quasi schon mit Kampfansagen im Amt „begrüßt“ worden. Doch Neuwahlen waren zunächst unmöglich (Bundespräsidenten-Wahlen) und dann (im heurigen Jänner) getraute sich Kern trotz aller Signale, die er selbst setzte („Plan A“), nicht, diesen Schritt zu wagen. Das rächt sich nun.
Jetzt hätte Kern die Möglichkeit, sich ohne Rücksicht auf die ÖVP zu profilieren. Ob er sie nützt, ist jedoch fraglich.
Zu seinem Glück aber bekommt er immerhin noch eine fünf Monate währende Chance: Da ist zum einen dieser (beinahe) unendlich lange Wahlkampf bis zum Urnengang am 15. Oktober, in dem (wirklich) unendlich viel passieren kann. Und da ist zum anderen der Umstand, dass er sich nicht mehr an die Regierungszusammenarbeit gebunden fühlt, sondern auf ein freies Spiel der Kräfte auf parlamentarischer Ebene setzt. Was ihm die Möglichkeit bieten würde, sich ohne Rücksicht auf die ÖVP zu profilieren.
Ob er diese Gelegenheit nützt, ist jedoch fraglich: Mit seiner Absicht, sich in den nächsten Wochen auf die Umsetzung noch offener Punkte aus dem Regierungsprogramm zu konzentrieren, hat er seinen Spielraum auch schon wieder eingeschränkt. Was zwar nicht ganz unbegründet ist, aber eben auch diese eine verhängnisvolle Nebenwirkung hat.
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