ANALYSE. Das FPÖ-Problem ist nicht nur Kickl. Das ist die Botschaft von Oskar Deutsch – und es durchkreuzt die Strategie der ÖVP, nur mit diesem eine Regierungszusammenarbeit auszuschließen.
Ein Kellernazi ist eine Person, die die Ideen des Nationalsozialismus durch nicht unmittelbar erkennbare Aktivitäten unterstützt. (Quelle: Wikipedia)
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), bleibt auf Distanz zur FPÖ. Daran ändert auch die Verurteilung des Massakers der Hamas vom 7. Oktober nichts, die Herbert Kickl gemeinsam mit den Vorsitzenden der übrigen Parlamentsparteien vorgenommen hat. In der ORF-Pressestunde erinnerte er an den Freundschaftsvertrag der Partei mit Wladimir Putins Bewegung „Einiges Russland“ und sagte vor allem auch: „Dort sind an der Spitze der Partei, aber auch der zweiten und dritten Linie Kellernazis.“
ORF-Redakteur Andreas Mayer-Bohusch mag dies wenig später zurückgewiesen haben. Wobei man sich fragen muss: Warum? Darf das, was Deutsch sagt, nicht sein? Muss man sich – quasi vorauseilend – die FPÖ zurechtreden, weil sie bald führend in der Regierung vertreten sein könnte?
Der Kellernazis-Vorwurf ist schwerwiegend. Er kommt aber nicht irgendwoher: Als die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) 2018 noch nicht mit Freiheitlichen koalieren wollte, unterstellte sie Udo Landbauer (FPÖ) im Zusammenhang mit der Liederbuchaffäre einen „sorglosen Umgang mit Antisemitismus“. Als er sie heuer ein weiteres Mal als Landeshauptfrau mit einem freiheitlichen Koalitionspartner bzw. einem Vize Udo Landbauer angelobte, erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen wörtlich: „Der Nationalsozialismus, mit seiner mörderischen Ideologie, darf sich niemals wiederholen. Nie wieder! Unser gemeinsames „Nie wieder!“ verpflichtet uns alle zu einem genauen und scharfen Blick, damit wir nie wieder in eine Situation wie in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts kommen. Schuldige suchen. Menschen herabwürdigen. Andersdenkende verhöhnen und verspotten. Die Grenzen dehnen. Das Unsagbare doch sagbar machen. Immer ein Stückchen mehr. An die niedrigsten Instinkte appellieren. Immer noch ein wenig mehr, sodass es vermeintlich nicht auffällt, was passiert. Aber es fällt auf!“
Mikl-Leitner hatte 2018, Van der Bellen 2023 Gründe, sich so zu äußern. Oskar Deutsch hat nun etwas aufgerissen, worüber gezielte innenpolitische Erzählungen fast schon hinweggetäuscht hätten. Erstens: Es gibt nicht nur ein Herbert Kickl-Problem in Bezug auf die FPÖ, wie die ÖVP gerne tut, wenn sie lediglich eine Regierungszusammenarbeit mit diesem ausschließt.
Zweitens: Die ÖVP zeigt gerade in diesen Tagen, dass sie wirklich zu 100 Prozent auf der Seite Israels steht, wo sie das tun kann. Zum Beispiel in der Außenpolitik, die sie über Alexander Schallenberg bestimmt und in deren Rahmen sie gerade eine UN-Resolution für eine Waffenruhe abgelehnt hat. Oder auch in der Innenpolitik, in der Kanzler Karl Nehammer aufgrund israelfeindlicher Akte Strafen für Fahnen-Schänder angekündigt hat. Da wird es schwieriger für sie, die Äußerungen von Deutsch über die FPÖ vom Tisch zu wischen, kann sie es sich kaum leisten, mit einer Partei zusammenzuarbeiten, in der nach dessen Einschätzung mehrere Kellernazis führend tätig sind; zumal das jetzt international noch stärker wahrgenommen werden würde und ihren Israel-Kurs durchkreuzen würde. Das Urteil des IKG-Präsidenten hat im Hinblick darauf entscheidendes Gewicht.
Drittens: Gegen islamischen Antisemitismus haben sich Freiheitliche in den vergangenen Wochen gestellt. Motive: Ebensolcher ist für sie ein Beweis, dass man Migration aus muslimischen Ländern stoppen muss. Und: Sie haben den Eindruck erwecken können, Antisemitismus abzulehnen. Bis Deutsch kam und diese andere Geschichte präsentierte.