ANALYSE. ÖVP, SPÖ und Neos haben Regierungsverhandlungen aufgenommen: Die Botschaft bleibt unverändert. Das wirkt bescheiden und ist riskant.
„Ein Weiter wie bisher ist nicht möglich und daher keine Option“, sagte ÖVP-Obmann Karl Nehammer. Es werde kein Weiter wie bisher geben, bekräftigte SPÖ-Chef Andreas Babler, und Neos-Sprecherin Beate Meinl-Reisinger bestätigte, dass man dem Wunsch der Wählerinnen und Wähler entsprechen wolle, kein Weiter wie bisher zu liefern: „Die Menschen erwarten sich neue Wege und ganz konkrete Lösungen.“
Also laufen jetzt keine Sondierungen, sondern Regierungsverhandlungen. Ob es zu einem erfolgreichen Abschluss kommen wird, ist laut Nehammer offen. Babler und Meinl-Reisinger wirkten bei der gemeinsamen Pressekonferenz an diesem Montag ein bisschen zuversichtlicher.
Das wird spannend. Wenn man von Ergänzungen absieht, dass das Land eine stabile Regierung, Aufbruch, Veränderung und Zuversicht brauche, bleibt es seit Wochen bei dieser einen Botschaft: „Kein Weiter wie bisher.“
Es wirkt wie aus der „Message Control“-Abteilung von Sebastian Kurz. Halt ohne Durchsetzungskontrolle: Es scheint darum zu gehen, einen schlichten Satz so lange zu wiederholen, bis ihn möglichst alle Wählerinnen und Wähler zumindest drei Mal vernommen haben. Dabei wird ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass einer Masse einfach nur wichtig ist, dass es kein Weiter wie bisher gibt. Dass diese Leute schon zufrieden sind, wenn man ihnen das verspricht.
Ist das wirklich möglich? Zum Teil. Weil schon von Kurz die Rede war: Er hat eher nur kommunikativ gewirkt, weniger inhaltlich. Wichtiger: Gerade für ihn waren Veränderungen, die eine Masse tangieren und nicht gerade angenehm sind, tabu. Zum Beispiel eine Pensionsreform. Damit war er eine Zeit lang erfolgreich.
Aber eben nur eine Zeit lang. Im Übrigen kann sich eine künftige Regierung, die Notwendigkeiten gerecht werden will, nicht damit begnügen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Nationalfeiertag eine lange Themenliste vorgetragen: Klimakrise; Migrationsprobleme; Pensionsreform; Produktivität; Krieg vor der Haustür; Bildung; Kinderbetreuung; Europa – überall warten Aufgaben, die über die Mammutaufgabe Budgetsanierung hinausgehen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Nehammer, Babler und Meinl-Reisiger liefern werden. Die Ansage, dass es nicht so weitergehen könne wie bisher, reicht dafür jedoch nicht aus. Sie ist selbst als Grundlage unzureichend. Dafür hätte man auch Herbert Kickl (FPÖ) gewinnen können.
Was bald zwei Monate nach der Wahl und gut einen Monat nach zumindest türkis-rotem Sondierungsbeginn fehlt, sind Signale, die zeigen, dass jetzt wirklich ein neuer Geist einziehen könnte. Und dass da an einer Koalition gearbeitet wird, der einiges zuzutrauen ist. Das wäre am ehesten die Aufgabe von Nehammer, der ja den Regierungsbildungsauftrag hat.
Da ist jedoch wenig. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass man einander misstraut und sich daher nicht zu weit aus dem Fenster lehnt; dass man einkalkuliert, dass die Verhandlungen scheitern könnten. Problem: Allein, dass das so rüberkommen kann, ist verhängnisvoll. Es trägt, wenn es über die steirische Landtagswahl in den Dezember hinein so weitergeht, dazu bei, dass Türkis-Rot-Pink mit einem Malus startet in der öffentlichen Wahrnehmung. Was es wiederum noch schwerer machen würde, größere Reformen, geschweige denn ein Sparpaket durchzusetzen. Natürlich: So lange nicht gewählt wird, bleibt eine parlamentarische Mehrheit erhalten. Wenn Umfragewerte jedoch übel sind und Freiheitliche in Ländern oder auch Gemeinden von Wahlerfolg zu Wahlerfolg laufen, wird’s in den Regierungsparteien zunehmen unruhig werden. Siehe Deutschland.