ANALYSE. In Europa gibt es keine Gegenbewegung, die auch Herbert Kickl Sorgen bereiten müsste. Nicht zuletzt auch Boulevardjournalismus bleibt ihm treu.
Es war atemberaubend. dieSubstanz.at ist Anfang März darauf gestoßen und hat hier darüber berichtet: In Kanada hatte sich die Stimmungslage für die beiden führenden Parteien innerhalb weniger Wochen gedreht. Der durchschnittliche Umfragewert der Liberalen verdoppelte sich von 20 auf 40 Prozent, der der Konservativen brach ausgehend von weit über 40 Prozent ein. Diese Woche ist gewählt worden, haben sich die Liberalen durchgesetzt. Zu tun hatte das alles damit, dass „ihr“ bisheriger Premierminister Justin Trudeau zurückgetreten und Mark Carney gewichen ist.
Vor allem aber ist es auf einen Trump-Effekt zurückzuführen: Mit US-Präsident Donald Trump ging eine Gegenbewegung zulasten der Konservativen und zugunsten der Liberalen einher. Sie stellen sich Trump in den Weg, der Kanada zu einem Bundesstaat bzw. Teil der USA machen möchte.
In weiten Teilen Europas gibt es keinen Trump-Effekt. Dabei sind Bedrohungen, die mit dem Mann einhergehen, anders, aber nicht kleiner als für Kanada. Stichwort Sicherheit und Verteidigung gegenüber Russland. Oder die Bemühungen seines Stellvertreters JD Vance, Rechtspopulisten und Rechtsextreme wie FPÖ und AfD zu stärken, die autoritäre Politik machen und die europäische Integration rückabwickeln wollen.
In Deutschland erfährt die AfD so viel Zuspruch wie noch nie und hat im Durchschnitt der Umfragen gerade zur bisher allein führenden CDU aufgeschlossen. Gut, dort liefen zuletzt zähe Regierungsverhandlungen, hat CDU-Chef Friedrich Merz noch nicht als Kanzler aufzeigen können, der er ab der kommenden Woche sehr wahrscheinlich sein wird.
In Österreich gibt es aber schon seit bald zwei Monaten eine neue Regierung und da wird ebenfalls kein Trump-Effekt sichtbar. Nicht einmal ein indirekter, der der FPÖ von Herbert Kickl zu schaffen macht: Mit 33 Prozent liegt sie nach wie vor weit über ihrem Nationalratswahlergebnis vom vergangenen Herbst (29 Prozent). Zwischendurch hatte sie sich sogar Richtung 40 Prozent bewegt, damit war jedoch Schluss, als die blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen platzten und nicht wenige Leute ganz offensichtlich auch Kickl dafür verantwortlich machten. Da hat die FPÖ wieder ein paar Prozentpunkte verloren.
Ein paar, wie gesagt, nicht viele: Es ist doppelt bemerkenswert. Nämlich auch in der Hinsicht, das in den Wochen dieser Koalitionsverhandlungen und erst recht durch das geleakte Verhandlungsprotokoll deutlich geworden ist, was es mit Kickl schlagen würde: eine Orbanisierung. Groß geschadet hat ihm das jedoch nicht, wie man heute feststellen muss.
Es läuft noch immer für ihn: Die auflagenstarke und durch Regierungsinserate gestärkte Gratiszeitung „Heute“ vergisst nicht, ihm gefühlt täglich zumindest eine Meldung zu widmen. Und sei es eine Nullmeldung. Wie am 30. April unter dem Titel: „Kickl legt wieder im Bierzelt los.“ In einer Rede am folgenden Tag der Arbeit werde er „wie zuletzt vor allem die Ampelkoalition im Bund ins Visier nehmen“, so das Blatt: „Thema dürfte aber auch die Wien-Wahl sein – immerhin der zehnte Wahlerfolg der Freiheitlichen in Serie.“