Karner versucht sich als Kickl

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ANALYSE. Ausgerechnet der Innenminister, der so wichtig wäre für die ÖVP, zeigt massive Schwächen. Jetzt probiert er es mit einer harten Linie in Asylfragen.

Die ÖVP hat ein echtes Sicherheitsproblem. In der Vergangenheit hat sie sich gerne als Sicherheitspartei ausgegeben und sich mit Innen- und Verteidigungsminister:in auch bemüht, zu liefern. Allein: Es funktioniert nicht mehr. Die beiden weisen katastrophale Persönlichkeitswerte auf: Beim APA/OGM-Index vom Juli erklärten gerade einmal 22 Prozent, sie würden Verteidigungsministerin Claudia Tanner (ÖVP) vertrauen; ziemlich genau doppelt so viele, nämlich 45 Prozent, gaben an, es nicht zu tun. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) genießt überhaupt nur das Vertrauen von 19 Prozent. Auch in seinem Fall sind es mehr als 40 Prozent, die ihm kein Vertrauen schenken (41 Prozent, um genau zu sein). Diese Werte sind sogar schlechter als die von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), dem allgemein keine besonders guten Noten gegeben werden; er kommt auf 20 bzw. 40 Prozent.

Das ist ein Hinweis auf den Umfang der Parteikreise: Ihr setzen nicht nur die Machenschaften ihres Ex-Obmannes Sebastian Kurz mitsamt „Familie“ zu; es sind auch nicht nur schier unlösbare Herausforderungen wie die Energiepreis- und -versorgungskrise, die ihr zu schaffen machen. Es geht viel weiter. Sie ist nicht einmal bei ihren ureigensten Kernthemen gut aufgestellt.

Die Bemühungen von Gerhard Karner wirken zunehmend verzweifelt. In einem VN-Interview griff er die Asylpolitik auf, bei der ÖVP unter Kurz und Ex-Innenminister Karl Nehammer eigentlich immer punkten, ja auch sehr viele enttäuschte FPÖ-Anhänger überzeugen konnte. Karner gibt sich als Anhänger eines britischen Modells, das unter dem gefallenen Premierminister Boris Johnson gerade gescheitert ist. Gemeint ist eine Vereinbarung mit einem Land wie Ruanda, dass Leute, die von dort kommen, dorthin zurückgebracht werden, um „vor Ort“ ein Asylverfahren durchzuführen. Flüge dafür waren bereits fixiert. Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist gleich der erste Mitte Juni jedoch gestoppt worden.

Karner zeigt sich darüber nicht sonderlich irritiert. Er hält vielmehr fest an dem Modell, wie die VN schreiben: „Zwar sei das rechtlich so noch nicht umsetzbar. Aber er wolle eine Debatte starten, um dies künftig zu ermöglichen.“

Das ist umso bemerkenswerter, als es erstens dem Zugang des ehemaligen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl nahekommt („Recht muss der Politik folgen“); und als es zweitens so oder so am Problem vorbeigeht. Dass es in Österreich heuer wesentlich mehr Asylanträge gibt als in den vergangenen Jahren nach 2015, hängt damit zusammen, dass sich Menschen auf den Weg gemacht haben, die sich schon länger in der Balkanregion aufhalten. Aber nicht damit, dass mehr nach Europa kommen (und nach britischem Ansatz wieder umgehend ausgeflogen werden könnten). Diesbezüglich zeigt auch ein neuerlicher Blick auf das UNHCR-Dashboard, dass es keine nennenswerten Veränderungen gibt. Siehe Grafik. 2022 sind im ersten Halbjahr ähnlich viele Ankünfte auf dem See- und Landweg verzeichnet worden wie 2019.

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