„Ich hol mir, was mir zusteht“

ANALYSE. Die Kürzung der Mindestsicherung ist populär. Dabei kommt eine Geisteshaltung zum Ausdruck, die auch von der Sozialdemokratie gepflegt wird.

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ANALYSE. Die Kürzung der Mindestsicherung ist populär. Dabei kommt eine Geisteshaltung zum Ausdruck, die auch von der Sozialdemokratie gepflegt wird.

„Die Regierung hat mit diesem Kürzungspaket einmal mehr ihre Rücksichtslosigkeit und soziale Kälte gezeigt“, sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner über das, was ÖVP und FPÖ als gerechte Mindestsicherungsreform bezeichnen. Vor allem Fremde, die nicht Deutsch können, sowie kinderreiche Familien sollen künftiger weniger bekommen. Rendi-Wagner hat jedoch ein Problem: Die soziale Kälte, die sie ortet, ist populär; und ihre Partei trägt zu dieser Stimmung bei.

Umfragen zeigen: Die Mehrheit der Österreicher begrüßt die Kürzungen. 78 Prozent würden eine geringere Mindestsicherung für Zuwanderer und Flüchtlinge unterstützen, berichtete das Nachrichtenmagazin „profil“ im vergangenen Jahr unter Berufung auf eine Umfrage: Nur 17 stünden den Kürzungen kritisch gegenüber. Das Meinungsforschungsinstitut OGM lieferte der Tageszeitung „Kurier“ erst vor einigen Wochen ähnliche Ergebnisse.

Verständnis für eine offene, solidarische Gesellschaft mit Rechten und Pflichten? Null.

Wen wundert`s? „Ich hol mir, was mir zusteht“, redete selbst die SPÖ unter Christian Kern den Leuten im vergangenen Nationalratswahlkampf ein. Wie immer das gemeint war. Es sprach gezielt etwas grundsätzlich Unsolidarisches an und kam auch so rüber, wie es viele Menschen zum Beispiel im Zusammenhang mit den Pensionen verstehen dürften: „Ab einem gewissen Alter steht mir allein schon aufgrund meiner Staatsbürgerschaft etwas zu. Wieviel ich eingezahlt habe, ist nebensächlich. Einzig Erwerbsjahre erhöhen meine Ansprüche extra.“

In Wien verstärkt die Sozialdemokratie diesen Zugang durch den sogenannten Wien-Bonus: Wer länger in der Stadt lebt, soll einen Vorteil haben – bei Wohnungsvergaben und laut Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bald auch darüber hinaus. Wobei es nicht so ist, dass man das gar nicht argumentieren könnte. Das Problem ist jedoch, dass es das Verständnis für eine Kürzung der Mindestsicherung für Fremde begünstigt – zumal Wesen und Wert einer offenen, solidarischen Gesellschaft mit Rechten und Pflichten ihrer Mitglieder daneben eher auf der Strecke bleiben und daher nicht Teil des allgemeinen Bewusstseins sein können.

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