GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER AUF VIENNA.AT. Wiens Bürgermeister setzt „seinem“ Bundeskanzler ganz schön zu. Gut möglich, dass der Showdown naht. Zeit dafür hätte er ab nächster Woche, wenn die Koalitionsverhandlungen im Rathaus abgeschlossen sein dürften.
Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) schaut dem Treiben auf Bundesebene nicht mehr länger zu. Gegenüber seinem Parteivorsitzenden, Kanzler Werner Faymann, hat er ohnehin schon sehr viel Geduld bewiesen und ihm sogar gezeigt, wie man Flüchtlingspolitik betreibt: Keine Zugeständnisse an die Freiheitlichen, sondern volle Konfrontation, damit alle wissen, wer „gut“ und wer „böse“ ist. Das Ergebnis der Gemeinderatswahl vom 11. Oktober hat deutlich gemacht, dass das aufgeht.
Nicht, dass sich Faymann nicht bemüht hätte, ebenfalls eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik zu verfolgen. Diese Woche ist er aber schwach geworden und hat dem Drängen von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nachgegeben: Asyl soll es nur noch auf Zeit und der Familiennachzug eingeschränkt werden. „Ich halte das für keine gute Idee“, ließ Häupl umgehend wissen und sprach damit eine Art Verwarnung aus.
Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) wurde noch deutlicher: Was da geplant werde, sei nicht mehr als eine „Alibiaktion“. Tatsächlich ist die Maßnahme in mehrfacher Hinsicht fragwürdig: Erstens, wenn ein Flüchtling davon ausgehen kann, nach drei Jahren wieder gehen zu müssen, wird er sich nicht anstrengen; weder wird er einen Deutsch- noch sonst irgendeinen Integrationskurs besuchen, noch wird er sich bemühen, eine ordentliche Arbeit zu finden. Zweitens: 83 Prozent der Menschen kamen zuletzt aus Syrien, Afghanistan und dem Irak; dorthin wird man in absehbarer Zeit niemanden zurückschicken können. Und drittens: Immer mehr kommen ohnehin schon mit Kind und Kegel nach Österreich, sodass sich ein Familiennachzug erübrigt.
„Wenn man wohin ausrinnt, dann hat man den Graben zu schließen, und nicht den Graben zu verbreitern, weil dann rinnt man noch mehr aus.“ (Michael Häupl)
Am Donnerstag hat Häupl bemerkenswerterweise selbst noch nachgesetzt, indem er nicht nur meinte, dass Ex-Raiffeisen-Boss Christian Konrad der bessere Innenminister wäre, sondern auch die ÖVP kritisierte, dass sie der FPÖ ganz offensichtlich „ein bisschen zublinzeln“ wolle. Was gegenüber dem größten Mitbewerber keine gute Idee sei: „Wenn man wohin ausrinnt, dann hat man den Graben zu schließen, und nicht den Graben zu verbreitern, weil dann rinnt man noch mehr aus.“
Das sind starke Worte. Vor allem, wenn man davon ausgeht (was man getrost tun kann), dass Häupl den Sack schlägt, aber den Esel meint: Die jüngste Asylrechtsverschärfung wird ja nicht nur von der Volkspartei vorgenommen, sondern auch von Faymann und den übrigen Sozialdemokraten in der Bundesregierung mitgetragen. Und das kann Häupl nicht dulden: Wenn er in einem Bereich über eine außerordentliche Glaubwürdigkeit verfügt, dann bei der humanen Flüchtlingspolitik.
Wie Faymann da wieder herauskommt, ist offen: Seine Zustimmung zur Reformen hat er bereits gegeben. Zurücknehmen kann er sie wohl nicht mehr. Also spricht wieder einmal sehr viel für einen Showdown. Zumal sich Häupl ab nächster Woche, wenn die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen abgeschlossen sein dürften, voll und ganz seiner nächsten Aufgabe zuwenden kann, nämlich der Erneuerung der Sozialdemokratie.