ANALYSE. Der Wiener Bürgermeister hatte schon eine Woche Zeit, einen neuen Bundesparteivorsitzenden aus dem Hut zu zaubern. Dass er es nicht geschafft hat, lässt tief blicken.
Geradezu empört reagierte Wiens Bürgermeister Michael Häupl im Ö1-Interview auf die Frage, warum er noch keinen Nachfolger für Werner Faymann gefunden habe: „Sind Sie mir nicht böse, ich habe heute um Vierteleins zu Mittag erfahren, dass der Bundesparteivorsitzende und Bundeskanzler zurücktritt. Da müsste ich ja der tollste Wunderwuzzi sein, wenn ich in einer solchen Zeit einen neuen aus dem Hut zaubere.“ Eine Woche (bis zum kommenden Dienstag) wäre dafür ohnehin schon „sensationell“.
Der Wiener Bürgermeister schummelt: Dass er noch keinen Chef für Regierung und Sozialdemokratie vorstellen kann, lässt tief blicken. Es ist entweder Versagen, Verantwortungslosigkeit oder Überforderung; oder von allem ein bisschen.
Denn Häupl ist schon vor einer Woche losgezogen, Gespräche mit allen Landesparteivorsitzenden über die Zukunft der Partei zu führen. Dass eine solche auch einen Vorsitzwechsel inkludieren könnte, hat er selbst bestätigt, indem er erklärte, dass man sehen werde, ob es noch eine Mehrheit für Werner Faymann gibt. Sprich: Es ging auch um einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Im Hinblick auf die Vorstandssitzung an diesem Montag hätte es denn auch schon einen Kandidaten oder eine Kandidatin dafür geben müssen.
Während sich ein Landesparteivorsitzender nach dem anderen für Bahnchef Christian Kern ausspricht, hält er sich bedeckt.
Doch damit ist Häupl gescheitert. Zum Teil liegt das auch an ihm selbst: Während sich ein Landesparteivorsitzender nach dem anderen für Bahnchef Christian Kern ausspricht, hält er sich bedeckt. Dem Vernehmen nach ist er für Medienmanager Gerhard Zeiler. Durchsetzen konnte er diesen bisher allerdings nicht.
Das muss nicht auf Unvermögen zurückzuführen sein: Häupl ist ein Politprofi; er weiß, was geht und was nicht geht. Im Zweifelsfall würde er daher wohl auch Kern akzeptieren. Weniger begeistert von diesem ist aber auch die Parteirechte. Vertreter dieses Lagers halten sich mit „Kern-Rufen“ ebenfalls eher zurück als Landesparteivorsitzende. Und vor diesem Hintergrund ist alles möglich, eine Überraschung inklusive.