ANALYSE. Werner Kogler und Co. machen sich auf schwere Zeiten gefasst: Niemandem machen Wlazny und die KPÖ so sehr zu schaffen wie ihnen. Lena Schilling ist eine Antwort darauf.
Bei der „Standard“-Umfrage zur steirischen Landtagswahl im Herbst könnte etwas untergehen. Es ist nicht nur so, dass die FPÖ auf Platz eins landen würde derzeit und die bisher führende ÖVP hinter der SPÖ auf Platz drei. Darüber hinaus würden die Grünen vier Prozentpunkte auf acht Prozent verlieren und die Kommunisten acht Prozentpunkte auf 14 Prozent gewinnen.
Natürlich: Die Steiermark! Hier sind die Kommunisten eine Größe. Prominenteste Vertreterin: Elke Kahr, Bürgermeisterin von Graz und „World Mayor“-Preisträgerin 2023. Das ist beinahe einzigartig. Das Wahljahr 2024 eröffnet wird am 10. März jedoch ausgerechnet in Salzburg. Und auch dort sind die Kommunisten stark, hat Kay-Michael Dankl durchaus Chancen, Bürgermeister zu werden.
Dankl ist bedrohlich für Grüne: Bei der Salzburger Landtagswahl ist im vergangenen April jeder dritte bisherige Grünen-Wähler, jede dritte bisherige Grünen-Wählerin zu dessen KPÖ plus gewechselt.* Mit 11,7 Prozent hat sie unterm Strich die Grünen (8,2 Prozent) klar hinter sich gelassen.
Bei der Nationalratswahl möchte die Bierpartei von Dominik Wlazny dabei sein. Auch er ist für die Grünen ein unangenehmer Mitbewerber: Bei der Bundespräsidenten-Wahl 2022 holte er fast ein Drittel seiner Stimmen aus dem Grünen-Lager.
Die Kommunisten und die Bierpartei haben das Potenzial, Träume von einer Ampelkoalition endgültig platzen zu lassen. Insofern sind sie auch für Sozialdemokraten und Neos ein Problem, die damit zumindest eine Option verlieren. Bei den Grünen geht es jedoch um mehr: Ihnen drohen größere Verluste.
Dass sie nach einer Regierungszusammenarbeit mit der ÖVP auf Bundesebene kaum weiter zulegen dürften, war absehbar. An der Seite von zunächst Sebastian Kurz und jetzt Karl Nehammer ist es schier unmöglich, eigene Anhänger nicht zu enttäuschen. Die Zugänge zu Migration, Klima, Korruption und vielem anderen mehr sind ganz andere, ja zum Teil sogar konträre.
Es gibt Wählerinnen und Wähler, die Grünen darüber hinaus nicht verzeihen, wegen Abschiebungen nicht auf die Barrikaden gestiegen zu sein oder die Einstellung der Wiener Zeitung sogar mitgetragen zu haben. Es gibt Klimaaktivistinnen und Klimaaktiven, denen sie nicht weit genug gehen. Es gibt andere, die einstige Leidenschaft, Debatte und Lebendigkeit vermissen, die sogenannter Professionalität gewichen sind.
Das setzt ihnen gerade auch dort zu, wo sie einst stärker waren: Bei einer Gemeinderatswahl in Wien würden sie laut einer Erhebung vom Herbst womöglich ebenfalls von der Bierpartei überholt werden. In den Rohdaten lagen sie damals bei nur noch sechs Prozent, in der Bürgermeister:innen-Frage erreichte ihre Vertreterin Judith Pühringer exakt ein Prozent.
Gut möglich, dass Grünen auch zu schaffen macht, dass schier unerfüllbare Vorstellungen mit ihnen verbunden werden. Dass eine ehrliche, vernunftgeleitete Politik frei von Eigeninteressen möglich sei etwa. Praktisch geht das gerade mit einer ÖVP, die eine Summe von Bünde- und Länderinteressen ist, nur begrenzt bis gar nicht. (In Wien war das auf kommunaler Ebene mit der SPÖ bis 2020 ähnlich.)
Jedenfalls verkörpern dieses Ideal – aus grüner Sicht: verhängnisvollerweise – Leute wie Wlazny, Dankl, aber auch Kahr als Bürgermeisterin von Graz, viel eher. Vielleicht treibt das so viele Wählerinnen und Wähler zu diesen.
Und vielleicht war es vor diesem Hintergrund sogar eine sehr gute Idee von Werner Kogler, die Klimaaktivistin Lena Schilling als Spitzenkandidatin in die EU-Wahl zu schicken. Sie steht nicht nur für ein grünes Thema, sondern ein Stück weit auch dafür, wie Grüne einmal waren: kompromisslos-kämpferisch, ein Gegenteil von pragmatisch-angepasst etc.
* 8000 von 23.000 bisherigen Grünen-Wähler:Innen wechselten laut SORA-Wählerstromanalyse zu KPÖ plus. Das war gut ein Drittel. In einer ursprünglichen Fassung dieses Textes war irrtümlich von einem Viertel die Rede.