Getriebene der FPÖ

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ANALYSE. Ukraine- wie Coronapolitik stehen im Zeichen einer (fast) unsichtbaren Macht: Herbert Kickl und Parteifreunde bestimmen indirekt mit. Nicht nur Türkise lassen das aus Angst um Wählerstimmen zu.

Hebert Kickl spielt im Moment keine wahrnehmbare Rolle. Seit der Ukrainekrieg ausgebrochen und Demos gegen Coronamaßnahmen kaum noch Zulauf finden, sofern überhaupt welche stattfinden. Das bedeutet nicht, dass die FPÖ, die von Kickl geführt wird, Pause hat. In Wirklichkeit ist sie beinahe so einflussreich wie einst in Regierungsfunktion.

Bei der Debatte über eine Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem österreichischen Nationalrat ging es zunächst eher nur um die Rolle der SPÖ. Unter Verweis auf die Neutralität hatte sie einer solchen nicht zugestimmt, betonte später aber, nicht dagegen zu sein. Es sei Sache von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), dafür zu sorgen. Dieser ließ in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA wiederum wissen: „Wenn das Einvernehmen zwischen den Fraktionen hergestellt ist, wird man eine Lösung finden. Ich war und bin jedenfalls dazu bereit, das zu ermöglichen.“

Dazu muss man wissen: Der Nationalratspräsident könnte, wenn er wollte. In der Geschäftsordnung heißt es wörtlich: „Der Präsident kann nach Beratung in der Präsidialkonferenz herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik einladen, in einer Sitzung des Nationalrates eine Erklärung zu einem bestimmten Thema abzugeben.“ Hier steht kein Wort davon, dass dem alle Fraktionen zustimmen müssen. Das ist schlicht keine Voraussetzung.

Also bedeutet Sobotkas Stellungnahme letzten Endes, dass er auch kein Interesse an einer Selenskyj-Rede hat. Er weiß genau, dass es zu dieser Frage nie ein Einvernehmen zwischen den Fraktionen geben wird. Kickl hat sich in einer Aussendung eindeutig dagegen gestellt. Zitat: „Österreich ist ein neutrales Land. Dass Präsidenten von Ländern, die zum Beispiel derzeit aktiv in kriegerische Auseinandersetzungen involviert sind, dort Ansprachen und Reden halten, ist ein absolutes Unding. Es ist dabei auch egal, ob es sich dabei um den ukrainischen Präsident Selenskyj, den russischen Präsident Putin oder irgendeinen anderen Präsidenten handelt.“

Unterm Strich sind Grüne und Neos für eine Selenskyj-Rede, ÖVP und SPÖ nicht dagegen, den Ausschlag geben dürfen jedoch die Freiheitlichen, die ausdrücklich dagegen sind. Das Ergebnis ist nicht, dass die vier erstgenannten Parteien auf ihre Mehrheit verweisen. Sobotka tut vielmehr so, als wäre Einstimmigkeit erforderlich. Als hätte die Bundesregierung eine solche etwa auch bei der Verurteilung des Angriffskrieges auf die Ukraine vorausgesetzt; oder bei vielen anderen Fragestellungen mehr.

In Wirklichkeit ist es vielmehr so: Vor allem die ÖVP ist getrieben von Angst. Unter Sebastian Kurz ist sie (fast) nur mit Hilfe ehemaliger FPÖ-Wähler groß geworden. Jetzt versucht die FPÖ diese Leute wieder zurückzuholen. Ansatzpunkt eins waren Coronamaßnahmen und Impfpflicht, wobei sie Konkurrenz durch die MFG erfuhr. Der Erfolg war beträchtlich: Türkise vom Boden- bis zum Neusiedlersee verabschiedeten sich reihenweise von der Impfpflicht. Der designierte ÖVP-Bundesobmann, Kanzler Karl Nehammer, tritt heute nicht einmal mehr sichtbar auf, wenn es um Coronamaßnahmen geht.

Ansatzpunkt zwei ist nicht so sehr die Neutralität, sondern das, was sie Umfragen zufolge weit über 50 Prozent der Menschen in Österreich bedeutet. Bestärkt durch eine Politik, die über Jahrzehnte hinweg den Eindruck vermittelt hat, man müsse sich nur raushalten, wenn es irgendwo brenzlig wird, um sich ein glückliches Inseldasein bewahren zu können. Im Sinne passiver Neutralitätspolitik, sozusagen.

Die FPÖ praktiziert das nun am deutlichsten. Man kann ihr unterstellen, dass sie es tut, um sich durch eine Parteinahme im Sinne der Ukraine nicht gegen Russland stellen zu müssen. Nach außen wird sie immer betonen, dass es ihr um die Neutralität gehe. Wäre sie allein damit und würde es bei einer Wahl ausschließlich darum gehen, würde sie haushoch gewinnen. ÖVP, aber auch SPÖ wissen das – und verhalten sich auch vor diesem Hintergrund wie beschrieben.

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