ANALYSE. Mit der „Social-Media-Regelung“ erweisen ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne allen Parteien bzw. vor allem auch Landeshauptleuten einen Dienst, der demokratiepolitisch hochproblematisch ist.
Nach einem Gespräch mit dem ehemaligen Rechnungshofpräsidenten und Vorsitzenden der Organisation „Transparency International Austria“, Franz Fiedler, sickert es erst: Was ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne mit der „Social-Media-Regelung“ ermöglichen, kann schwer überschätzt werden. Klar ist, dass es nicht darum geht, einen „Graubereich“ zu beseitigen, wie einzelne Vertreter von ihnen gerne vermitteln: Laut Rechnungshof und Unabhängigem Parteien-Transparenz-Senat ist die Sache glasklar. Der Senat hat ÖVP, Neos und Grünen daher auch zu Strafen von bis zu gut 100.000 Euro (Grüne) verdonnert. Regierungsmitglieder in Bund und Ländern hatten Kabinettsmitarbeiter Social-Media-Accounts bespielten lassen, die ihnen oder ihren Parteien gehören. Das ist eine Sachleistung, die als unerlaubte Spende zugunsten der jeweiligen Partei zu werten sei.
Jetzt soll das legitimiert, also gesetzlich gedeckt werden. Es soll lediglich gekennzeichnet werden müssen, ob Beiträge im Zusammenhang mit der Regierungs- oder der Parteiarbeit stehen. Es wird, wenn schon, denn schon, nicht das gemacht, was der Rechnungshof ausdrücklich fordert und auch in Deutschland die Regel ist: Es wird nicht getrennt. Auf X etwa hat Friedrich Merz zwei Accounts: Einen als Kanzler, der von Beamten bespielt wird, und einen als CDU-Vorsitzender, um den sich Parteimitarbeiter kümmern. So etwas nennt man politische Kultur.
Franz Fiedler weist nun darauf hin, dass hier auch das ignoriert wird, was dem sogenannten Kopfverbot zugrunde liegt: Nachdem es zu einer Unsitte geworden war, dass sich Regierende in Regierungsinseraten auf Kosten der Steuerzahler abbilden und bewerben ließen, wurde das abgedreht. Es dürfen hier keine Köpfe bzw. Gesichter von Regierenden mehr zu sehen sein.
Bei Social-Media-Beiträgen auf Parteipolitiker-Accounts, die künftig also auch mit öffentlichen Mitteln betrieben werden dürfen, ist von einem Kopfverbot nicht die Rede. Dort geht es ganz selbstverständlich eher nur um Köpfe, spricht Fiedler zurecht von persönlicher Propaganda, die im Übrigen auch insofern relevant ist: Ein durchschnittlicher Bundes- oder Landesparteichef hat zehntausende Follower, durchaus mehr als eine kleine Zeitung Leser.
Ja, auch Landesparteichefs: Ein Blick auf Facebook lässt den Schluss zu, dass die neue Regelung vor allem auch für Landeshauptleute gemacht ist, die einige davon sind. Bei ihnen ist Trennung zwischen Partei- und Regierungsfunktion überhaupt fremd.
Beispiel Mario Kunasek aus den Reihen der FPÖ, die auf Bundesebene gegen die Neuregelung agiert: Auf Facebook tritt er als Landeshauptmann der Steiermark und Landesparteiobmann der FPÖ Steiermark auf. Anzahl der Follower: 135.000. Der Beitrag vom 4. Juli besteht aus einem Video, das ihn bei einer Rede im Landtag zeigt. Ein Beitrag vom 3. Juli zeigt ihn auf Fotos bei einer Sitzung der Landesregierung. Und so weiter und so fort. Auf einem Beitrag vom 30. Mai ist er auf vielen Fotos bei einem Maturant:innen-Empfang zu sehen. Zwischendurch erklärt er, die FPÖ wirke und verweist auf einen Antrag an die Bundesregierung, für ein Kopftuchverbot für unter 14-Jährige zu sorgen. Problem: Erkennbar ist nicht, von wem die Beiträge bzw. Videos und Fotos kommen. Künftig dürften hier jedenfalls auch Vertreter des Landes Steiermark mitwirken; es wäre gesetzlich gedeckt. Obwohl die verlinkte Website der FPÖ Steiermark gehört.
Ähnlich verhält es sich beim Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der auf Facebook 63.000 Follower hat und von seinem Alltag als Bürgermeister berichtet. Am 3. Juli etwa von einem Treffen mit Amtskollegen aus aller Welt in der Stadt. Die verlinkte Website gehört der Wiener SPÖ. Oder bei Thomas Stelzer (ÖVP): Auf Facebook hält er 75.000 Follower auf dem Laufenden und zeigt, was er tut und was ihm wichtig ist als Landeshauptmann von Oberösterreich. Die verlinkte Seite gehört der dortigen Volkspartei.