ANALYSE. Der FPÖ-Chef versucht den Eindruck zu vermitteln, im Sinne aller Österreicher zu agieren. Abgesehen davon, dass das unmöglich ist, ist es gerade auch in Bezug auf seine Europapolitik vollkommen falsch.
Demagogen pflegen, Darstellungen so lange zu wiederholen, bis sie sich durchsetzen. Da muss man aufpassen. Daher kommt hier auch das Wort „V…kanzler“ nicht mehr vor. Wenn, dann wird FPÖ-Chef Herbert Kickl Bundeskanzler.
Teil seiner Wiederholungen ist auch, so zu tun, als spreche er für die gesamte Bevölkerung. Beim freiheitlichen Neujahrstreffen führte er aus, was das bedeute: „Fühlen, wie die eigene Bevölkerung fühlt. Denken, wie die eigene Bevölkerung denkt. Reden, wie die eigene Bevölkerung redet. Wollen, was die eigene Bevölkerung will. Und handeln, so wie die eigene Bevölkerung handeln würde, wenn sie an unserer Stelle steht.“
Dazu sind zwei Anmerkungen nötig. Die erste spricht eine Selbstverständlichkeit an: Die Bevölkerung sind viele sehr unterschiedliche Menschen mit ebenso unterschiedlichen Vorstellungen. Sich darüber hinwegzusetzen heißt, etwas Demokratisches zu ignorieren.
Zweitens: In der Europapolitik zum Beispiel kann Kickl nicht einmal behaupten, für eine Mehrheit der Bevölkerung zu reden. Er tut das glatte Gegenteil davon: „Österreich wird künftig keine weiteren Kompetenzerweiterungen der EU mehr unterstützen“, hat er jüngst als Noch-Nicht-Kanzler angekündigt.
Damit widerspricht er einer Mehrheit: Bei der jüngsten Eurobarometer-Erhebung (durchgeführt nach der Nationalratswahl) wurden etwas mehr als 1000 Österreicherinnen und Österreichern zu bestimmten Aussagen befragt. Zum Beispiel: „Es sollten mehr Entscheidungen auf EU-Ebene getroffen werden.“ Ergebnis: 53 Prozent stimmen dem voll und ganz oder eher zu, 42 Prozent eher oder überhaupt nicht. Die Zustimmung fiel damit sogar größer aus als vor fünf Jahren. Damals hatte sie nur 45 Prozent betragen.
Vielleicht hat der Wandel mit Krisen und Bedrohungen zu tun sowie der Erkenntnis, dass man da gemeinsam besser aufgestellt wäre. Fakt ist jedenfalls: 61 Prozent der Österreicher sind für eine gemeinsame Außenpolitik, gar 66 Prozent für eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU-Mitgliedsländer.
Warum Kickl darüber hinwegtäuscht? Es gilt als freiheitliches Erfolgsmodell, eigene Positionen als die vermeintlich richtigen darzustellen, die im Interesse aller wären. Damit werden zwei oder eigentlich sogar drei Absichten erfolgt: Man bildet sich eine feste Anhängerschaft. Man stärkt sie, gerade auch weil sie in einer Minderheit ist, im Gefühl, auf der richtigen Seite zu sein. Und man ermächtigt sich quasi selbst, letzten Endes durchzusetzen, was man möchte.