Für Kickl angerichtet

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ANALYSE. Wenn der Kanzler wirklich ein Problem mit dem Demokratieverständnis des FPÖ-Chefs hat, schreitet er zu Reformen. Spielräume für Machtmissbrauch gehören jedenfalls entfernt.

Die israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lässt gegen die linksliberale Tageszeitung „Haaretz“ vorgehen, die ihm lästig ist: Regierungsstellen und Behörden dürften nicht mehr mit ihr kommunizieren und auch keine Inserate in ihr schalten, berichtete sie vor wenigen Tagen. Das habe Netanjahu durchgesetzt. Es handle sich um einen weiteren Schritt in seinem Bestreben, „die israelische Demokratie zu zerschlagen“, schreibt die Zeitung: Wie seine Freunde Putin, Erdogan und Orban versuche auch er, unabhängige Medien zum Schweigen zu bringen, die ihm kritisch gegenüberstehen.

Bei dieser Meldung hat es gleich zwei Mal geklingelt. Zuletzt beim Verweis auf Orban, der nicht nur im Hinblick auf Inhalte, sondern auch Stilfragen ein Vorbild von FPÖ-Chef Herbert Kickl ist. Und zunächst bei der Sache mit der Informations- und der Inseratensperre. Kickl zieht schon heute eigene Medien vor, um sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Damit grenzt er andere aus. Unter anderem auch solche, die ihm nicht gefällig sind. Noch ist er in Opposition und kann nicht weiter gegen sie vorgehen.

Die Sache mit den Inseraten ist jedoch angerichtet. In Österreich wird über diese Schiene von der Bundesregierung bzw. den einzelnen Ministerien eine zweifelhafte Medienförderungspolitik auf Kosten der Steuerzahler betrieben. Vereinfacht ausgedrückt: Hemmungslos viel für den Boulevard, etwas für Qualitätsmedien. Gesetzlich geregelt ist noch immer relativ wenig. Kickl könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass an den liberalen (und für manche linksliberalen) „Standard“ nichts mehr geht. Im ersten Halbjahr heuer hätte dieser allein dadurch 402.000 Euro weniger eingenommen. So groß war das Inseratenvolumen der Bundesregierung in seinem Fall. Es wäre ein schmerzlicher Verlust für ihn, zurückzuführen auf politische Willkür.

Mitte Oktober hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bekräftigt, nicht mit Kickl zusammenzuarbeiten. Er begründete dies unter anderem damit, dass er dessen Demokratieverständnis „zutiefst“ ablehne. Wenn er das ernst meint, belässt er es nicht bei der Ausgrenzung, sondern sorgt auch für den Fall vor, dass Kickl eines Tages zu seinem Nachfolger wird. Es könnte bald sein. Und bisher ist viel zu viel Machtmissbrauch möglich.

Es hat auch damit zu tun, dass politische Kultur verkommen und ebensolcher Anstand verloren gegangen ist. Es sind Maßstäbe gesetzt worden, die einem autoritären „Volkskanzler“ nur gefallen können. Genauer: Ihm und seinen Mitstreitern.

Beispiel Wolfgang Sobotka (ÖVP): Als Nationalratspräsident hat er es sich nicht nehmen lassen, alle Freiräume in seinem Sinne auszunützen. Fotografiermöglichkeiten für die Presse einzuschränken. Oder den Vorsitz selbst in U-Ausschüssen zu führen, die gegen seine Partei gerichtet waren. Es wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, hier neue Regelungen zu fordern, damit klar wird, was gar nicht geht. Nachfolger Walter Rosenkranz (FPÖ) sagt Danke. Genauso wie für das Versäumnis, eine Abwahl des Nationalratspräsidenten er ermöglichen. Mit Zweidrittelmehrheit etwa.

In Bezug auf Postenbesetzungen wäre eine neue Regierung gut beraten, zu keinem Weiter wie bisher zu schreiten und etwa Kriterien für die Nominierung von Aufsichtsräten und ORF-Stiftungsräten vorzusehen oder allenfalls vorhandene nachzuschärfen. Man muss es Herbert Kickl ja nicht gar so einfach machen.

Es gibt so viele Baustellen. Weil schon vom ORF die Rede war: Allein, dass der (wohl) künftige steirische Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) wie jeder andere Landeshauptmann eines Tages de facto den Direktor „seines“ Landesstudios auswählen darf. Das ist ein Unding. Es entspricht einem unsäglichen Geist, wonach sich Regierende die Berichterstattung richten können. Das sollte gar keinen möglich sein. Weder türkisen noch roten noch blauen. Vor allem aber nicht solchen, die einen autoritären Zugang haben.

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