ANALYSE. Die Freiheitlichen nehmen sich auf Jahre aus dem politischen Spiel. Wem das nützt? Vorerst nicht einmal der ÖVP von Sebastian Kurz.
Wer Leo Kohlbauer ist, kann man kaum wissen. Es handelt sich um ein Mitglied des freiheitlichen Gemeinderatsklubs in Wien. Erwähnung findet er an dieser Stelle, weil seine Mitteilung auf Twitter tief blicken lässt: „Die drei wahrscheinlich schlechtesten & faulsten Abgeordneten verlassen uns in Richtung Bündnis Zukunft Ibiza.“ Die Abspaltung der Heinz-Christian Strache-Getreuen um Karl Baron ist ein weiterer Schlag für die FPÖ. Da ist es nachvollziehbar, wenn bei Kohlbauer die Nerven durchgehen; wenn er aus Parteifreunden von heute auf morgen die übelsten Gesellen macht: Hier herrscht Panik.
„FPÖ am Ende!“, titelte die „Kronenzeitung“ am 18. Mai nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Das war ein bisschen voreilig. Heute aber ist es so weit: Die freiheitliche Partei, wie sie von Strache groß gemacht worden ist, gibt es nicht mehr. Schon die letzten drei Wahlniederlagen waren vernichtend: Von 26 auf 16 Prozent bei der Nationalratswahl, von 23 auf 14 Prozent in Vorarlberg und von 27 auf 17 Prozent in der Steiermark. Sprich: Die Partei wird vom Wähler beinahe halbiert.
Doch ein Ende ist nun eben nicht in Sicht: Als nächstes finden die Landtagswahl im Burgenland und dann die Gemeinderatswahl in Wien statt. Hier steht die FPÖ überhaupt so schlecht da, wie sonst kaum wo. Einfacher Grund: Strache war die Wiener FPÖ. Ohne Strache ist sie nichts. Geführt wird sie derzeit bezeichnenderweise von einem seiner Ziehsöhne, Dominik Nepp. Umfragen zufolge muss sie damit rechnen, wirklich halbiert zu werden.
Von einer Heinz-Christian Strache-Liste bzw. der Partei „Allianz für Österreich“, die Baron gerade vorgestellt hat, wird die FPÖ zwar kaum überholt werden. Eine solche würde ihr nun aber zumindest noch größeren Schaden zufügen: Was bisher war, war eine verschärfte Parteikrise, jetzt steht die Selbstzerfleischung des freiheitlichen Lagers auf dem Programm.
Auf Bundesebene sind die Aussichten nicht besser: Wer immer die FPÖ dort in Zukunft führen wird, Norbert Hofer oder Herbert Kickl, er wird erstens auf der knallharten Oppositionsbank Platz nehmen müssen, zweitens weitere Wahlniederlagen erklären dürfen und drittens mit der Strache-Konkurrenz konfrontiert sein.
Die FPÖ ist am Ende, zumindest für mehrere Jahre. Siehe ihr letzter Ab- und Aufstieg. Bei der Nationalratswahl 1999 hat sie unter Jörg Haider 27 Prozent erreicht. 18 Jahre dauerte es, bis sie Strache 2017 wieder auf 26 führen konnte.
Das hat natürlich auch Einfluss auf die gesamte politische Landschaft: Sebastian Kurz ist 2017 angetreten, den Freiheitlichen mit freiheitlichen Inhalten Wind aus den Segeln zu nehmen. Zumal sie später an sich selbst zerbrochen sind, hat er nun mehr erreicht als er jemals erträumen konnte.
Das einzige Problem von Sebastian Kurz ist, dass er im Moment schwer etwas machen kann daraus: Würde morgen gewählt werden, die FPÖ würde wahrscheinlich noch weiter abstürzen und die ÖVP noch mehr gewinnen. Absolute wird’s jedoch kaum werden und die FPÖ ist als einzig möglicher Partner für eine Fortsetzung der „ordentlichen Mitte-Rechts-Politik“ gestorben. Womit die Optionen von Sebastian Kurz unverändert bleiben; und zwar mehr oder weniger unattraktiv: Türkis-Grün, Türkis-Rot oder Minderheitsregierung.
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