ANALYSE. Große Weichenstellungen, die Merkel und Macron anstreben, werden hierzulande nicht einmal ignoriert.
Das Wort Europa kommt in der österreichischen Politik zurzeit vielleicht ein bisschen im Zusammenhang mit Eurofigther-Untersuchungsausschuss vor, doch nicht einmal das hat etwas miteinander zu tun. Was bemerkenswert ist: In Brüssel, Berlin und Paris ist ganz Wesentliches in Bewegung. Der französische Präsident Emmanuel Macron wälzt substanzielle Reformpläne für die europäische Integration. Und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat nach einer ernüchternden Begegnung mit US-Präsident Donald Trump am vergangenen Wochenende eine Zäsur in Aussicht gestellt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“ Wobei „wir“ auch Österreich meint, wie Merkel verdeutlichte: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“
Angekommen ist das hierzulande allerdings noch nicht. Zwar hat die Bundespolitik erkannt, dass nach dem Brexit eine gewisse EU-Reform unvermeidlich ist. Bei dieser ist ihr jedoch wichtig, dass Österreich keinen höheren Mitgliedsbeitrag zahlen muss. Und das war’s dann auch schon wieder.
In Wirklichkeit geht die Sache noch viel weiter und noch viel tiefer: Der Schriftsteller Robert Menasse hat das vor wenigen Tagen in einem Interview mit dem Fernsehsender 3Sat zum Ausdruck gebracht, als er sich verwundert darüber zeigte, dass er nur Innenpolitisches erörtern sollte – wo man doch weiß, dass Nationales zugunsten des Europäischen immer mehr an Bedeutung verliert; da ist es doch absurd, sich auf Ersteres zu beschränken und damit zu vermitteln, dass Zweiteres bedeutungslos sei.
Macron ist nicht nur eine Art Popstar, als der er in Österreich zu gerne wahrgenommen wird.
Bis das gesickert ist, wird freilich zumindest die Nationalratswahl geschlagen sein. Zumal die Kanzlerkandidaten bereits signalisiert haben, dass es ihnen vor allem darum geht, Nationales zu verteidigen – sei es durch eine Beschränkung europäischer Arbeitnehmerfreizügigkeiten (Christian Kern), der EU-Mitgliedsbeiträge (Sebastian Kurz) oder überhaupt noch viel mehr (Heinz-Christian Strache).
All das ist natürlich vorgestrig, wie entscheidende Player verdeutlichen: Macron ist nicht nur eine Art Popstar, als der er in Österreich zu gerne wahrgenommen wird („Wer ist unser Macron? Kern, Kurz?“); er ist auch einer, der z.B. einen Eurozonen-Haushalt anstrebt. Und auch Merkel hat eben mitgeteilt, dass auch sie größeren Handlungsbedarf sieht: Wenn sich Europa nicht mehr auf die USA verlassen kann, dann muss es zum Beispiel selbst anfangen, sich um Sicherheit und Verteidigung zu kümmern; und zwar von Nordafrika über Syrien bis zur Krim. Und dann kann sich Österreich seiner Verantwortung irgendwann nicht mehr entziehen; es wird, wenn es so weitermacht, ganz einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
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