ANALYSE. Warum die Wahlbeteiligung eher stark steigen wird: Nicht zuletzt die ÖVP braucht einen fulminanten Sieg und muss daher wie alle andern Parteien mobilisieren, mobilisieren, mobilisieren.
Gerade einmal 45,4 Prozent der Wahlberechtigten hatten sich 2014 dazu bewegen lassen, an der damaligen EU-Wahl teilzunehmen: Wird’s diesmal noch schlimmer, werden es noch weniger sein? Was dafür spricht: Von diesem Urnengang redet kein Mensch mehr. Dagegen spricht jedoch viel mehr. Soll heißen: Wahrscheinlicher ist eine stark steigende Wahlbeteiligung.
Schaut so eine politikverdrossene Republik aus, in der sich die Bevölkerung abwendet vom politischen Geschehen? Mit Sicherheit nicht: Allein der ORF verzeichnete am Samstag über den Tag verteilt 3,8 Millionen Zuseher, die nach Bekanntwerden des „Strache-Videos“ zumindest einmal dabei waren. Zu sagen, dass Villacher Fasching und Kitzbühl-Abfahrt im Vergleich dazu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, wäre übertrieben, das Interesse ist dabei jedoch viel geringer.
Die Österreicher sind politisiert, wie schon lange nicht mehr. Und das muss raus.
Die Österreicher sind politisiert, wie schon lange nicht mehr. Und das muss raus. Gelegenheit dazu bietet die EU-Wahl am kommenden Sonntag: Die letzten Tage haben Anhänger und Gegner von Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und wem auch immer noch mehr zu enttäuschten oder erfreuten Anhängern und Gegnern gemacht. Ein paar werden möglicherweise zu Hause bleiben, andere müssen ihren Präferenzen aber mehr denn je Ausdruck verleihen. Und dazu bietet sich kaum eine bessere Gelegenheit an als ausgerechnet diese Wahl mitten in diesen bewegten Zeiten.
Vor allem aber: Das ist eine Testwahl. Man stelle sich einfach nur die unterschiedlichsten Überraschungen vor, von denen es die eine oder andere immer gibt: Die ÖVP gewinnt nicht klar. Die SPÖ legt zu. Die FPÖ verliert nur einige Prozentpunkte. Neos und Grüne werden zweistellig. Etc, etc, etc – wenn auch nur ein, zwei Dinge davon eintreten, beeinflusst das den Nationalratswahlkampf ganz massiv.
Auch von daher wird diese EU-Wahl noch mehr eine Testwahl für Kurz.
Also werden die Parteien jetzt mobilisieren, was geht. Die SPÖ, deren Kampagnenfähigkeit infrage gestellt ist, hat bemerkenswerterweise als erste der größeren Parteien damit angefangen. Eher als ÖVP und FPÖ hat sie nun doch ihre Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ins Zentrum des EU-Wahlkampfes gerückt (mit der Botschaft „Verantwortung statt Chaos – Am Sonntag: Verantwortung wählen“).
Von der Neuen Volkspartei wird jedenfalls auch noch etwas kommen. Hatte Sebastian Kurz den EU-Wahlkampf seiner Partei doch schon vor der Regierungskrise übernommen. Womit diese EU-Wahl auch vor diesem Hintergrund noch mehr eine Testwahl für ihn wird: Triumphiert er mit seiner Partei nicht, wird’s schwieriger, bei der Nationalratswahl auf mehr als 40 Prozent zu kommen, wie es nötig ist, um einen ganz eindeutigen Führungsanspruch zu bekommen.