Es geht auch ohne SPÖ und ÖVP

ANALYSE. Vertreter der ehemaligen Großparteien konnten im Wahlkampf nicht einmal vor einem „grünen“ oder „blauen“ Experiment warnen. Es hätte niemanden mehr geschreckt.

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ANALYSE. Vertreter der ehemaligen Großparteien konnten im Wahlkampf nicht einmal vor einem „grünen“ oder „blauen“ Experiment warnen. Es hätte niemanden mehr geschreckt.

Nach der Bundespräsidenten-Wahl wird die Zweite Republik also fortgesetzt; unter anderen Vorzeichen allerdings: Weder ein SPÖ- noch ein ÖVP-Kandidat hat es in die Entscheidung geschafft. Ja, es geht noch viel weiter: Österreich hat gerade gelernt, dass es auch ohne die beiden ehemaligen Großparteien geht. Und das ist ein demokratiepolitischer Fortschritt.

Wie weit dieser Fortschritt reicht, wird erst nach und nach deutlich. Wenn man sich beispielsweise die staatstragende „Antrittsrede“ von Alexander Van der Bellen im Garten des Wiener Palais Schönburg vor Augen führt und dann daran erinnert, dass SPÖ- und ÖVP-Vertreter vor ein paar Jahren noch vor einem grünen Experiment (bzw. einem grünen Bundespräsidenten) gewarnt hätten und damit im Wahlkampf möglicherweise sogar erfolgreich gewesen wären, dann sieht man erst, was in Bewegung gekommen ist; in den vergangenen Monaten mussten sie sich mit einer solchen Außenseiterrolle begnügen, dass sie sich solche Kritik nie hätten erlauben können – im Gegenteil, angesichts ihres eigenen Zustandes wäre das viel eher noch einer Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen und dessen Mitbewerber Norbert Hofer (FPÖ) gleichgekommen.

Wenn sich SPÖ und ÖVP also nicht einmal mehr selbst als unverzichtbare, alternativlose Säulen dieser Republik darstellen können, dann haben sie ein Problem: Dann müssen sie eingestehen, dass sie gleichwertig wie Grüne, Freiheitliche oder NEOS sind. Und das schafft wiederum einen neuen „Spin“, der dem Land nur guttun kann.

Wollen sich die ehemaligen Großparteien halten, können sie nicht mehr bluffen.

Wollen sich die ehemaligen Großparteien halten, können sie nicht mehr bluffen; die einzige Möglichkeit, die sie haben, ist, besser zu sein. Profitieren können sie allenfalls noch von den Leistungen, die ihre Kaderschmieden in der Vergangenheit erbracht haben; sie haben Leute wie Christian Kern oder Sebastian Kurz gefördert, die noch über die nötigen Fähigkeiten verfügen könnten – vor allem aber auch kraft ihrer Person und nicht so sehr ihrer Parteizugehörigkeit.

Vielleicht wäre es unter diesen Voraussetzungen sogar angesagt, die SPÖ würde bei der nächsten Nationalratswahl nicht als SPÖ, sondern als Liste Kern und die ÖVP nicht also ÖVP, sondern als Liste Kurz antreten. Aus heutiger Sicht wäre das jedenfalls erfolgversprechender. Doch so oder so gilt: Sollten sie scheitern, muss Österreich nicht gleich ins Chaos stürzen; seit diesem Urnengang weiß man, dass es auch ohne sie geht.

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