ANALYSE. Es ist okay, wenn der Kanzler und SPÖ-Vorsitzende Kante zeigt. Sinn macht die Sache aber nur, wenn er aufs Ganze geht.
Schon der Titel, den Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern für seine Rede in der Welser Messehalle gewählt hat, ist eine Ansage: „Worauf warten? Zeit, die Dinge neu zu ordnen.“ Kern möchte endlich klarstellen, wie er sich die Zukunft des Landes vorstellt. Bisher haben ihn die schier endlosen Bundespräsidenten-Wahlen daran gehindert, damit wirklich ernst zu machen. Schließlich macht die Sache nur dann Sinn, wenn es aufs Ganze gehen kann; ihm es also möglich ist, darauf zu bestehen, dass dies und jenes passiert oder allenfalls in Neuwahlen zu ziehen. Erst seitdem ein Staatsoberhaupt gekürt ist, ist das machbar.
Da darf man sich keine Illusionen machen: Würde Christian Kern glauben, es genüge, zwischendurch aus dem großkoalitionären Alltagstrott auszubrechen und einen flotten „New Deal“ zu präsentieren, er wäre naiv. Schließlich weckt er damit auch Erwartungen, die er in weiterer Folge erfüllen muss. Ganz besonders, nachdem er schon einmal, im vergangenen Sommer, versucht hat, sich mit Ansagen, wie einer Wertschöpfungsabgabe, zu profilieren. Gescheitert ist das nicht zuletzt auch aufgrund eines Koalitionspartners, der sich weigerte, in seinem Sinne mitzuspielen.
Das kann sich Kern kein zweites Mal leisten. Er darf nicht immer nur reden, sondern muss irgendwann auch liefern. Also hat er eben nur zwei Möglichkeiten: Entweder schafft er es, die ÖVP dafür zu gewinnen, Forderungen wie die Einführung eines Mindestlohnes von 1500 Euro netto bis zu einem Tag X umzusetzen; oder er geht damit in einen Wahlkampf, um für eine Mehrheit dafür zu werben.