Eine Option weniger

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ANALYSE. SPÖ-Chef Andreas Babler setzt die Geschichte um das geleakte Strategiepapier letzten Endes am meisten zu.

Das ist Österreich. Jeweils Regierende üben über den ORF-Stiftungsrat ungeniert Macht aus. Nämlich dort, wo sie es nicht tun sollten, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das finden sie so normal, dass sie es derzeit auch vor dem Verfassungsgerichtshof verteidigen. Umgekehrt geben sie sich korrekt, wenn sie etwas stört: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Zusammenarbeit künftig möglich ist“, twitterte Kanzlersprecher Daniel Kosak. Wenige Minuten später beendete der ORF die Zusammenarbeit mit dem Sozialforschungsinstitut SORA. Begründet, wohlgemerkt: Günther Ogris, einer der Gründer des Instituts, hat sich unfreiwillig als Möchtegernberater von SPÖ-Chef Andreas Babler geoutet. Das hat zwar keinen Einfluss auf die Hochrechnungen, die SORA bei Wahlen regelmäßig erstellt, die Optik ist jedoch schief.

Das Problem ist, dass unterschiedliche Rollen und Funktionen grundsätzlich immer offengelegt gehört würden, das in Österreich aber bei weitem nicht die Regel ist. Bespiel: Gerne werden sogenannte Politikberater um Einschätzungen gebeten; zur Orientierung aller Wählerinnen und Wähler. Ist bei einem von ihnen aber schon einmal darauf hingewiesen worden, wen er (oder sie) berät? Eben.

Erst jetzt wird einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass die „Arge Wahlen“, die die Hochrechnungen für Privatsender erstellt, von Franz Sommer gegründet worden ist. Auch das ist bezeichnend. Sommer ist ein Mann, dessen Expertise die ÖVP immer wieder gerne für sich nützt.

In einem kleinen Land wie Österreich wird kaum ein Politikberater oder Meinungsforscher übrigbleiben, wenn man alle ausschließt, die für Parteien oder parteinahe Organisationen tätig sind. Vernünftiger wäre es daher, Transparenz walten zu lassen. Sonst geht dieses Spiel weiter: Rausgeschossen wird, wer Einflussreichen nicht gefällig ist. Wobei man im Einzelfall sagen muss: Aus nachvollziehbaren Gründen. Das systemische Problem bleibt jedoch. Würde es gelöst werden, wäre der Einzelfall kein Problem mehr. Alle wüssten aufgrund der Transparenz, woran sie sind.

Günther Ogris war also am vergangenen Montag bei SPÖ-Chef Andreas Babler, um diesen mit einem 42 Seiten dicken Vorschlag für eine Nationalratswahl-Strategie zu überzeugen. Ogris wollte einen Beratungsauftrag, sandte seinen Vorschlag dann aber nicht per Mail an die SPÖ, sondern versehentlich an einen Verteiler mit rund 800 Empfänger:innen.

Vorgeschlagen wurden vom Sozialforscher unter anderem Mitglieder eines Schattenkabinetts (z.B. Gerhard Zeiler als Finanzminister) sowie ein sogenannter „Story-Frame“: „Liebe statt Hass = Babler statt Kickl“. Ziel sollte eine Mehrheit mit Grünen und Neos sein. Was die Darstellung stützt, dass Ogris noch ohne Auftrag am Werk war: Eine solche Mehrheit hätte und hört Babler wohl gerne; realistisch ist sie jedoch nicht.

Wie auch immer: All das schadet dem ORF nur begingt, sofern er für Hochrechnungen adäquaten Ersatz findet (was schwierig sein dürfte) und sofern Redakteur:innen weiterhin SORA-Mitarbeiter:innen aufgrund ihrer Expertise in ihre Geschichten einbauen können (was nicht selbstverständlich ist); SORA und Ogris werden die Sache wohl überstehen, sie verfügen über eine Forschungskompetenz, mit der sich Geld verdienen lässt.

Den größten Schaden hat die SPÖ, hat Babler: Wieder redet man nicht über ihre Inhalte, sondern über ihr Tun. Schlimmer: Es ist ein Tun, bei dem Pleiten, Pech und Pannen im Spiel sind. Einmal schafft man es nicht, das Ergebnis einer Vorsitzendenwahl korrekt zu erfassen, ein anderes Mal ist man mit einem potenziellen Berater in Kontakt, der vertrauliche Informationen de facto veröffentlicht, indem er sie über einen größeren Verteiler versendet. Professionalität geht anders.

Zweitens: Eine Strategie, die Mitbewerbern von vornherein bekannt ist, ist wertlos. Soll heißen: Selbst wenn kluge Elemente darin enthalten sind, kann Babler sie vergessen. Wobei: „Liebe statt Hass“ ist ohnehin die Erzählung, in der sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bereits gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl versucht. Sie mag schwach sein. Nehammer schafft es bisher aber immerhin, sich als Gegenpol zu Kickl zu inszenieren. Babler ist noch nicht einmal so weit.

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