Doskozil im Out

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ANALYSE. Der burgenländische Landeshauptmann meldet sich zu Wort und wird nicht einmal mehr ignoriert.

Es fällt erst jetzt so richtig auf, passiert ist es aber schon vor einem halben Jahr: Nach der Nationalratswahl hat der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gefordert, seine Partei, die SPÖ, solle in Opposition. Das Ergebnis – es handelte sich um das schlechteste der Geschichte – sei kein Regierungsauftrag, sagte er. Seither ist er kein Faktor mehr in der österreichischen Sozialdemokratie. Bis dahin mag er von Genossen in Wien oder dem Umfeld von Andreas Babler als Störfaktor betrachtet worden. Heute tun sie aber nicht einmal mehr das.

Hans Peter Doskozil hat sich keinen guten Dienst erwiesen mit seiner Forderung: Es wäre nicht nur auf weitere Oppositionsjahre hinausgelaufen für die SPÖ, sondern auch auf einen Kanzler Kickl, gerade aus Sicht seiner Partei also das größte Übel überhaupt. Ein Übel, das durch das veröffentlichte Protokoll der gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP noch deutlicher geworden ist. Stichwort Orbanisierung mit allem, was dazugehört, von Beseitigung kritischer Medien bis Schwächung der Opposition.

Vielleicht bringt die Tatsache, dass Andreas Babler gerade so fest im Sattel sitzt als SPÖ-Vorsitzender wie noch nie, am bestem zum Ausdruck, worum es geht: Babler ist Vizekanzler und hat als solcher gemeinsam mit Christian Stocker (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) eine Alternative zu einem Kanzler Kickl ermöglicht, nämlich die schwarz-rot-pinke Koalition. Das ist nicht nichts, im Gegenteil, es wird ihm in den eigenen Reihen angerechnet, es trägt ihn.

Und es stellt umgekehrt Doskozil, der einen Kanzler Kickl in Kauf genommen hätte, mehr denn je ins Out. Dort steht er und wird nicht einmal mehr ignoriert. Allein, was er am Wochenende gesagt hat: Bei der Budgetsanierung liefere die Regierung nur plakative Überschriften, keine Strukturreformen. Ja, sie lasse es auf eine „Drei-, Vier-Klassenmedizin und -pflege“ hinauslaufen. Die Folge: Keine Reaktion, keine Debatte, nichts.

Was sich Doskozil auch dadurch selbst zuzuschreiben hat, dass er immer wieder so viele Parteifreunde außerhalb des Burgenlands gegen sich aufbringt. Nicht nur Babler und die Wiener um Bürgermeister Michael Ludwig, sondern jetzt auch wieder die Gewerkschafter: Die ÖGK, die Österreichische Gesundheitskasse, die quasi Teil ihrer sozialpartnerschaftlichen Welt ist, würde er abschaffen. Die Folge: Mit solchen Botschaften pflegt er eher parteiinterne Feindschaften. Wobei: Auch die Arbeitnehmervertreter regen sich nicht einmal mehr öffentlich wahrnehmbar auf.

Hans Peter Doskozil kann sagen, was er will: In Deutschland würde er als Ministerpräsident eines Landes sehr wahrscheinlich etwas auslösen, wenn er einen verpflichtenden Wehr- und Sozialdienst für alle fordert. In Österreich tut er es nicht. Da ist zumindest für Rote und Schwarze klar, dass das für Frauen erst geht, wenn Gleichstellung hergestellt ist.

In Deutschland hingegen ist jüngst von den bayerischen Grünen der Ruf gekommen, einen „Freiheitsdienst“ für alle einzuführen: 18- bis 67-Jährige Männer und Frauen sollten demnach Wehrdienst oder das leisten, was man hierzulande als Zivildienst bezeichnet. Ob das vernünftig ist? Sagen wir so: Es zeugt zumindest von einer intensiveren Auseinandersetzung mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen – und hat zu einer Debatte geführt. In Österreich ist das nicht der Fall. Erst recht, wenn der Vorstoß von Doskozil kommt.

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