ANALYSE. Bundeskanzler Sebastian Kurz riskiert Sicherheitskompetenz und vor allem auch parteiinterne Turbulenzen.
Die politische Dimension der Causa BVT wird man wohl erst in einigen Monaten ermessen können. Dass sie groß ist, kann man jedoch schon einmal erahnen. Wobei sich zusätzlich zum FPÖ-Aspekt (blauer Innenminister, von einem Funktionär geführte Einheit zur Hausdurchsuchung etc.) ein veritables Problem für die ÖVP von Sebastian Kurz abzeichnet.
Darüber, dass er mit Innen- und Verteidigungsministerium ausgerechnet beide „Sicherheitsressorts“ den Freiheitlichen überlassen hat, konnte man sich von vornherein wundern. Und zwar auch aus rein strategischen Überlegungen aus Sicht der Neuen Volkspartei selbst: Der Erfolg von Kurz steht im Zusammenhang mit dem so ziemlich größten Unsicherheitsgefühl, das man sich in der Zweiten Republik denken kann. Nicht umsonst haben Fritz Plasser und Franz Sommer ihrem jüngsten Buch den Titel „Wahlen im Schatten der Flüchtlingskrise“ gegeben. Kurz hat es geschafft, sehr vielen Österreichern das Gefühl zu schenken, dass er am ehesten sichere Verhältnisse garantieren kann. Ohne Innen- und Verteidigungsministerium ist es ihm nun freilich nur sehr begrenzt möglich, das unter Beweis zu stellen. Eher könnten das nun FPÖ-Vertreter tun.
Von einen mächtigen Geheimdienst hört man am besten gar nichts. Insofern ist der Umgang mit dem BVT stümperhaft.
Zumindest theoretisch: Von einen mächtigen Geheimdienst hört man am besten gar nichts. Insofern ist der Umgang mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), den das Innenministerium von Herbert Kickl (FPÖ) pflegt, stümperhaft. Das Vertrauen in den Sicherheitsapparat wird dadurch wohl ungleich mehr erschüttert als dies bei vergleichbaren Vorgängen bei einer Verkehrsstreife der Fall wäre. Ganz zu schweigen von den Folgeschäden für die internale Zusammenarbeit; kaum ein Dienst wird sich noch dem österreichischen BVT anvertrauen, wenn er damit rechnen muss, dass es bei diesem doch glatt eine Razzia geben könnte.
Heikel wird diese Angelegenheit aber auch für Sebastian Kurz als Chef der Neuen Volkspartei: Erstmals wird sein Verhältnis zu Funktionären bis hinauf zu Landeshauptleuten einer echten Belastungsprobe unterzogen.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist schon als seine Ex-Chefin, also als ehemalige Innenministerin, voll und ganz hinter Kloibmüller gestanden.
Das Innenministerium „gehörte“ bisher der ÖVP bzw. insbesondere der niederösterreichischen; und über dieses wurde auch das BVT kontrolliert: So gesehen wäre es kein Zufall, wenn der bisherige Präsidialchef des Ressorts, Michael Kloibmüller, Medienberichten zufolge nun sehr plötzlich zum niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds wechselt. Es wäre vielmehr naheliegend. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist schon als seine Ex-Chefin, also als ehemalige Innenministerin, voll und ganz hinter ihm gestanden. Als er einmal verhört wurde, empörte sie sich öffentlich: „Hier wird – von mancher Seite bewusst – das Leben einzelner Menschen und ihrer Familien zerstört. Das ist unerträglich und eine Schande.“
Doch zurück zum BVT im engeren Sinne: Wenn es dort schon länger Missstände gibt, die Herbert Kickl nun womöglich auch noch ausbreiten lässt, wird ein allfälliger Untersuchungsausschuss des Parlaments ein, zwei sehr prominente Auskunftspersonen laden müssen: Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka, nunmehr Nationalratspräsident. Und unter Umständen eben auch Mikl-Leitner, die die politische Verantwortung für das gesamte Ressort bis Anfang 2016 getragen hat.
Statuiert Kickl beim BVT ein Exempel, muss das unzählige Vertreter und Begünstigste der ÖVP beunruhigen.
Was für die ÖVP freilich nur die Spitze eines Betroffenheitsberges darstellen würde: Statuiert Kickl beim BVT ein Exempel, muss das unzählige Vertreter und Begünstigste der Partei vom Boden- bis zum Neusiedlersee beunruhigen, die im ÖVP-geführten Innenministerium von 2000 bis 2017 Karriere gemacht haben und auch heute noch dort tätig sind.
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