Buddha reicht nicht

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ANALYSE. Qualitäten des Kanzlers finden über Österreich hinaus Beachtung. Gerade in Deutschland haben das aber auch jene von Sebastian Kurz getan.

Als „Buddha von Wien“ wird Bundeskanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker vom deutschen „Spiegel“ bezeichnet. Sein stoisches und ausgleichendes Wesen werde parteiübergreifend geschätzt: Das ist eine Auszeichnung für den Mann, der gerne auch mit Winston Churchill verglichen wird. „Zumindest vom (optischen) Typ her.“

Sind das jedoch Qualitäten? Natürlich. Wenn man von Vorgängern und Mitbewerbern ausgeht und außerdem die Krisen der Zeit berücksichtigt, wird das deutlich: Es ist eine Qualität, nicht (wie Sebastian Kurz) allein auf „Message“ und Stimmenmaximierung ausgerichtet zu sein und dafür alles zu liefern, also auch hemmungslos Populistisches. Es ist eine Qualität, nicht (wie Herbert Kickl) Andersdenkenden mit Verachtung zu begegnen und zerstören zu wollen, was für den demokratischen Rechtsstaat relevant ist (unter anderem Journalismus). Es ist außerdem gerade wegen all der Unsicherheiten und Verwerfungen, die mit Corona begonnen haben und eher immer zahlreicher werden, eine Qualität, ruhig und besonnen zu wirken – also auch in dieser Hinsicht ganz anders zu sein als Kurz und Kickl.

Das sollte man sehen. Andererseits ist es nicht genug. Im Falle von Stocker bleibt offen, ob es einfach nur seinem Naturell entspricht, wie ein „Buddha“ zu wirken, oder ob mehr dahintersteckt. Insofern sollte man vorsichtig bleiben.

Deutsche Medien waren vor allem auch von Sebastian Kurz angetan. Aufgrund seiner Jugend und seiner Redegewandtheit. Rückblickend kann man ihnen vorwerfen, sie seien auf einen Blender hereingefallen.

Ein Politiker darf sich nicht nur dadurch auszeichnen, welchen Eindruck er vermittelt. Er muss wesentlich mehr liefern: Schon bei Kurz hätte man stutzig werden können, als er große Entlastungsversprechen ohne belastbare Angaben zur Gegenfinanzierungen tätigte. Und mehr noch, als Rechnungshof und diverse Institute deutlich machten, dass die Patientenmilliarde, die durch die Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern herausschauen sollte, ein billiger PR-Gag war.

Hier geht es aber nicht um Kurz, sondern um Stocker: In seinem Fall ist es die Ruhe und die Zurückhaltung, die wie erwähnt eine Qualität ist, die nicht zu vernachlässigen, aber unzureichend ist. Mit Größen der Geschichte wird man ihn jedenfalls erst dann vergleichen können, wenn er etwas Größeres angeht.

Wenn er gerade aufgrund der Budgetnöte mit Ländern und Gemeinden eine Staatsreform in Angriff nimmt, von der vor lauter Desillusionierung schon kaum noch jemand redet. Oder wenn er zum Beispiel im Bildungsbereich mit einem Bekenntnis zur Gemeinsamen Schule (oder etwas anderem) aufhorchen lässt, was zeigt, wie wichtig ihm Zukunftsfragen sind. Oder wenn er die Vernebelung um die Neutralität einstellt und ein erkennbares Ziel in Bezug auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik definiert. Oder wenn er nach Jahren, in denen auch Parteikollegen von ihm zunehmend auf Distanz zur EU gegangen sind, ein glaubwürdiges Bekenntnis zur europäischen Integration mit konkreten Vorstellungen dazu ablegt. Zumal es mehr denn je darauf ankommen würde.

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