ANALYSE. BP-Wahl-Anfechtung, #Brexit: Die Freiheitlichen können sich darauf beschränken, über eigenes Versagen hinwegzutäuschen und Stimmung zu machen. Sie werden von niemandem herausgefordert.
Gut möglich, dass der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer im Falle der Wiederholung der Stichwahl gegen Alexander Van der Bellen von einem „Opferbonus“ profitieren wird. Zu einfach läuft das Spiel bisher: Hofer selbst hat von vornherein Manipulationsvorwürfe erhoben; vor dem Verfassungsgerichtshof haben sich Missstände bei Wahlkarten-Auszählungen bestätigt, die den Höchstrichtern zu weit gehen könnten. Also wird der „Spin“ folgendermaßen ausschauen: Hofer ist der Wahlsieg gestohlen worden; bei einer Wiederholung gibt es die Möglichkeit, Gerechtigkeit herzustellen.
Dass das ganz und gar nicht ausgeschlossen ist, ist auf die politischen Mitbewerber zurückzuführen. Sie schaffen es nicht, die andere Geschichte zu erzählen: Die Freiheitlichen haben immer schon gewusst, dass bei den Auszählungen nicht alles vorschriftsgemäß läuft. Ihre Wahlbesitzenden haben das noch jedes Mal mitgetragen. Auch diesmal. Was besonders schwerwiegend ist: Man kann ihnen unterstellen, dass sie das wissentlich getan haben, nachdem Hofer und Co. die Sache von vornherein thematisiert und auch schon eigene Informationsbroschüren dazu herausgegeben haben. Sich im Nachhinein, aufgrund eines enttäuschenden Ergebnisses, als Opfer dazustellen, erfordert also ein besonderes Maß an Chuzpe. In Wahrheit ist eine Wahlanfechtung unter solchen Umständen vor allem auch eine Art Selbstanzeige.
Doch darauf achtet niemand. Zum Teil, weil sich die Wahlbeisitzenden der übrigen Parteien auch nicht mit Ruhm bekleckert haben. Vor allem aber, weil freiheitliche Frontalangriffe noch immer eine Schockstarre bei den Mitbewerbern auslösen, die diese handlungsunfähig machen.
Man spielt zwar mit Stimmungen, schreitet aber nicht zum Äußersten. Wozu auch? Das ist ausreichend.
Wenn, dann kann die FPÖ allenfalls über sich selbst stolpern. Was sie ganz offensichtlich auch ahnt: Man kann davon ausgehen, dass sich viele ihrer Anhänger nach einer Volksabstimmung über einen EU-Austritt sehnen; immerhin hat die Union allen Eurobarometer-Erhebungen zufolge hierzulande ein ähnlich schlechtes Standing wie in Großbritannien. Doch Heinz-Christian Strache, aber auch Norbert Hofer, zögern, wie letzterer am Wochenende in einem Interview demonstrierte: „Wenn die Union sich falsch entwickelt, statt sich auf die eigentlichen Grundwerte zurückzubesinnen, wenn sie sich zu einer zentralistischen Union entwickelt – und wenn da noch dazu die Türkei beitreten sollte –, dann wäre für mich der Augenblick gegeben, wo man sagt: So, jetzt muss man auch die Österreicher fragen.“, sagte er gegenüber der Tageszeitung „Österreich“.
Das zeugt von einem Doppelspiel: Man spielt zwar mit Stimmungen, schreitet aber nicht zum Äußersten. Würden die Freiheitlichen für einen EU-Ausstritt werben, sie würden sich von einer Regierungsbeteiligung entfernen. Einer ÖVP beispielsweise wäre es nur noch schwer möglich, sich als Juniorpartnerin anzubieten; Wirtschaftskreise würden sich querlegen.
Dass das eine Zwickmühle für die FPÖ ist, kann allerdings nicht behauptet werden: Es reicht ihr, mit Stimmungen zu spielen. Zumal niemand von ihr verlangt, sich unmissverständlich zu positionieren, kann sie auch damit nur gewinnen. Dazu muss sie keinen Auxit durchsetzen.