Blaue Wählertäuschung

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ANALYSE. Wird’s ernst, flüchten sich Freiheitliche zunehmend in absurde Aussagen. Die Strategie, die dahintersteckt, ist offensichtlich.

„Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, irgendwann eine Kreditmahnung Ihrer Bank erhalten, schreiben Sie einfach zurück, dass Sie nichts zahlen müssten, weil Sie den Kredit nie gelebt hätten.“

So lautete jüngst eine Empfehlung des Kabarettisten und Kolumnisten Florian Scheuba in der Tageszeitung „Der Standard“. Das war natürlich nicht ernstgemeint. Scheuba hat damit FPÖ-Chef Herbert Kickl auf die Schaufel genommen. Dieser wird gerade mit Treuhandverträgen zu seinen Gunsten konfrontiert. Im Raum steht die Frage, ob bzw. wie viel Geld an ihn geflossen sein könnte. Kickl betont: Kein Cent. Weil: Die Verträge seien nie gelebt worden. „Ein Argument von beeindruckender Kühnheit“, wie Scheuba findet.

So hart und konsequent Herbert Kickl und seine Parteifreunde im Umgang mit anderen, insbesondere Regierenden sind, so wenig sind sie es zunehmend in eigener Sache. Zum Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Wladimir Putins Partei „Einiges Russland“ erklärte der 3. Nationalratspräsident Norbert Hofer jüngst: „Es gab vor acht Jahren dieses Papier, es wurde aber von keiner der beiden Seiten mit Leben gefüllt.“ Wieder dieses nie gelebt. Ja, zwischenzeitlich will man es laut Hofer nicht einmal mehr gefunden haben.

Die Strategie ist klar: Man versucht etwas kleinzureden. Wäre es ernstgemeint, könnte man zum Beispiel kein Problem damit haben, den Freundschaftsvertrag endlich von sich aus offenzulegen.

Doch was ist bei der FPÖ ernstgemeint? Das Plakat zur EU-Wahl etwa, auf dem von europäischer „Kriegstreiberei“ gegen Russland die Rede ist? Spitzenkandidat Harald Vilimsky windet sich in der ORF-Pressestunde, der Angriffskrieg Russlands sei durch nichts zu rechtfertigen, die Beitrittspläne der Ukraine zur Nato seien allerdings schon eine Provokation gewesen.

Hier geht es darum, durch eine „Sowohl als auch“-Formulierung allen etwas anzubieten. Darauf sollten man nicht hereinfallen: Der Begriff „Kriegstreiberei“ bleibt. Und zwar so diffus, dass man jeden Beitrag, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken, als „Kriegstreiberei“ betrachten kann. Es ist wohl genau so beabsichtigt von der Freiheitlichen Partei.

Oder die Sache mit dem „roten Knopf“. Vor einigen Wochen erklärte Vilimsky, er würde keine Millisekunde zögern, auf einen solchen zu drücken, „um Österreich aus dem EU-Irrsinn herauszuholen“: „Das heißt nicht Öxit“, beteuert er nun in der Pressestunde.

Ja was denn sonst! Die FPÖ agiert einerseits so hemmungslos wie noch nie. Kickl inszeniert sich als „Volkskanzler“, der „Volksverräter“ auf eine „Fahndungsliste“ setzen lässt. Vilimsky umwirbt EU-Gegner und Putin-Versteher. Darauf angesprochen, beteuern sie anderereits stets, dass alles nicht so gemeint sei. Was bedeutet, dass sie sich selbst nicht ernst nehmen oder dass sie zwischendurch Kreide fressen. Auszugehen ist von letzterem. Soll – besonders vor Wahlen – heißen: „Sich scheinbar friedfertig geben, seine Aggressivität im Zaum halten.“

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