Auf Kickl achten

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef löst keine Probleme, spricht aber viel eher als andere an, was eine Masse bewegt. Wenn ÖVP und Grüne das zum Beispiel in Bezug auf die Teuerung erkennen würden, würden sie nicht so übel dastehen.

Das Ergebnis der jüngsten Landtagswahl in Salzburg war miserabel für ÖVP und Grüne. Die Volkspartei verlor massiv an die Freiheitlichen, die Grünen liefen unter anderem an die Kommunisten aus. Von ihren Wählern aus dem Jahr 2018 konnten sie nur 14.000 halten, je 10.000 blieben zu Hause oder wanderten zu „KPÖ plus“ von Kay-Michael Dankl ab. Wen wundert’s: Der Urnengang stand im Zeichen einer überregionalen Hausforderung. „Inflation und Teuerung“ lautete nach Ansicht der Wählerinnen und Wähler das größte Problem. Und diesbezüglich hapert’s bei ÖVP und Grünen.

Ihnen fehlen nicht nur gemeinsame Lösungsansätze (Beispiel Mietpreisbremse, die von den Grünen gefordert, von der ÖVP jedoch ablehnt wurde); ihnen fehlen quasi auch Drähte in die Gesellschaft hinein, es mangelt ihnen an einem Verständnis dafür, was Massen gerade bewegt.

Bisweilen haben sie andererseits auch gar nicht die Absicht, diese anzusprechen. Die Grünen sind stark auf urbane Bildungsschichten fokussiert. Das ist keine Schande, im Gegenteil. Wenn man bei Urnengängen in ländlichen Regionen und bei Facharbeitern aber im niedrigen einstelligen Prozentbereich bleibt, hat’s was.

Dann sollten auch die Grünen darüber nachdenken, wie sie das ändern könnten. Zumal ihnen nicht einmal die urbanen Bildungsschichten sicher sind: 2017 flogen sie aus dem Nationalrat, wurden sie in Städten wie Innsbruck von Sozialdemokraten überholt. Jetzt zogen die Kommunisten in der Stadt Salzburg an ihnen vorbei. Ein Raum, der sehr grün sein könnte, ist eher tiefrot geworden.

Dafür gibt es einen Grund: Wie die ÖVP haben die Grünen nicht zeitnah gesehen, was die Teuerung auslöst. Werner Kogler hat zunächst von Hysterie gesprochen (und sich wenig später immerhin entschuldigt dafür). Natürlich: Teile der Opposition und der Medien verstärken „gerne“ Stimmungen. Auch sie sind aber darauf angewiesen, dass etwas da ist. Dass es Leuten mit bescheidenen Mitteln nicht egal ist, wenn im Supermarkt Butter (wie im vergangenen Jahr) plötzlich mehr als zwei Euro kostet. Dass eine Mittelschicht wegbricht, die sich Eigentum nicht mehr leisten kann. Dass bisher ordentlich verdienende Facharbeiter von Abstiegsängsten geplagt werden.

Ob es begründet ist oder nicht: Hier passiert etwas. Und wenn man es nicht sieht, oder beschwichtigt, dass Österreich noch immer ein wohlhabendes Land mit beachtlicher Kaufkraft sei, macht man es nur schlimmer. Selbst wenn man inhaltlich nicht ganz daneben liegt: Erstens, man muss darauf eingehen, was Leute wahrnehmen. Zweitens: Jeder Schritt zurück auf einen weniger hohes Wohlstandsniveau ist schmerzhaft; auch wenn dieses Niveau für einen Durchschnitt noch immer höher bleibt als zum Beispiel in den 1990er Jahren. Drittens: Für all jene, die schon bisher wenig hatten, heißt weniger im Extremfall nichts mehr oder Schulden zu haben. Viertens: Für eine Masse platzen Träume. Das ist dazu angetan, negative Energien auszulösen. Und politisch relevant ist am Ende des Tages nicht nur, wie’s den Leuten objektiv geht, sondern auch, wie sie glauben, dass es ihnen geht.

Dass eine Regierung all das nur begrenzt zu erkennen scheint, führt dazu, dass sie gerade wieder einmal spät ein Paket geschnürt hat. Nachdem selbst ein Liberaler wie WIFO-Chef Gabriel Felbermyr wochenlang größere Maßnahmen forderte.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war im Schlafwagen. Aus Überzeugung, wie Sebastian Kurz den Freiheitlichen Wähler wegnehmen zu können, setzte er sich in diesen und vermittelte den Eindruck, es gebe ausschließlich illegale Migration zu bewältigen, fuhr über Budapest (Viktor Orbán) nach Rom (Giorgia Meloni), um Allianzen zu schmieden.

Dabei hätte er es gerade als Getriebener der FPÖ von Herbert Kickl erkennen müssen. Dieser hat illegale Migration nicht vergessen, längst aber viel stärker – neben Sozialdemokraten – Inflation und Teuerung besetzt. Nehammer hat das jedoch nicht ernst genommen. Er glaubte offenbar, dass all die Wahlerfolge der Freiheitlichen in jüngster Zeit ausschließlich auf ihre Anti-Migrationspolitik zurückzuführen sind.

Kickl hat, wie schon Jörg Haider und Heinz-Christian Strache, eine Stärke: Er saugt Entwicklungen in der Gesellschaft umgehend auf und ist Mitbewerbern daher immer wieder ein Schritt voraus. Was er daraus macht, ist eine andere Geschichte. Er ist nicht an Lösungen interessiert, sondern daran, dass Probleme Probleme bleiben oder vielleicht sogar größer werden.

Würden Regierungsparteien, wenn sie gesellschaftliche Entwicklungen schon nicht spüren, wenigsten darauf achten, was Kickl thematisiert, würden sie selbst sehr wahrscheinlich weniger schlecht und Freiheitliche weniger gut dastehen. Genauso wie Kommunisten in Salzburg. Was zu den Grünen zurückführt. Für sie geht es bei alledem um noch mehr als für die ÖVP.

Jede sozial engagierte Bewegung links der Mitte, die Klimaschutz im Gepäck hat, stellt eine existenzielle Bedrohung für sie dar. Wobei es zu wenig ist, darauf hinzuweisen, dass ein Mann wie Kay-Michael Dank ausschließlich als eine Art Sozialarbeiter bei den Leuten sei, während man selbst Regierungsverantwortung trage, also bestmögliche Rahmenbedingungen für alle zu garantieren habe. Es geht schon auch darum, eine Masse spüren zu lassen, dass man ihr nahe ist.

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