Gastkommentar auf VIENNA.AT. Österreich leidet darunter, dass es zu wenig harte Fragesteller gibt; und dass sich Politiker keinen Interviews mehr stellen.
Wer hat noch nicht, wer will nochmal? In der Rubrik „Medienpolitik“ gibt es seit geraumer Zeit eigentlich nur ein Thema: Kritik an ORF- bzw. ZiB2-Moderator Armin Wolf. Die Liste derer, die sich da schon zu Wort gemeldet haben, ist sehr, sehr lang. Angefangen hat ausgerechnet ein nicht unbedeutender Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks; nämlich der Anwärter auf einen Direktorposten, Roland Brunhofer, indem er sich über angebliche Verhörmethoden in der abendlichen Nachrichtensendung empörte. Fortgesetzt hat den Reigen der ehemalige niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll; wobei er in aller Offenheit gleich auch Konsequenzen forderte. Und zuletzt war da noch Niki Lauda; er findet, dass Wolf mit seinen Gästen „unfair“ umgeht. Irgendwie muss man da fast schon befürchten, dass das Ganze zu einer Manie ausartet, die in keinem Verhältnis mehr zu möglichen Anlassfällen und vor allem auch zum Drumherum steht. Also: Schluss damit!
Man kann den Moderator kritisieren. Ja, das muss sogar möglich sein. Dabei sollte man jedoch präzise sein. Die aussichtslose Lage des damaligen ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner mit dem Filmtitel „Django und die Totengräber“ zu umschreiben, wie es Wolf Anfang Mai getan hat, war zum Beispiel ein Fehler. Doch das hat er auch selbst erkannt und sich dafür entschuldigt. Ihm zu unterstellen, „hart“ zu fragen, ist wiederum zu verallgemeinernd. Zumal sich Vertreter aus fast allen Lagern immer wieder darüber beschweren, kann das im Übrigen nur bedeuten, dass so gut wie jeder einmal drankommt. Und das ist gut so.
Ein Problem ist, dass es zu wenige Seinesgleichen gibt. Und das ist so gemeint, wie es hier steht.
Armin Wolf ist wirklich nicht das Problem. Das sind schon ganz andere Dinge. Zum Beispiel, dass es zu wenige Seinesgleichen gibt. Und das ist so gemeint, wie es hier steht. Um das nachvollziehen zu können, muss man sich nur einmal die Medienlandschaft anschauen: Da ist der Boulevard, der in die eine oder in die andere Richtung kampagnisiert und damit keinen Journalismus betreibt. Daneben existieren nicht mehr allzu viele Redaktionen mit einer überschaubaren Zahl an Mitarbeitern. Sprich: Einer ZiB2 mit einem Armin Wolf kommt in diesem Umfeld automatisch eine maßgebliche Rolle zu; und wer eine solche hat, der zieht Unmut eher auf sich. Mehr Wettbewerb würde so gesehen auch ihm selbst ganz gut tun.
Ein Interview kann nicht Teil einer Show sein, die ein Regierungs- oder Oppositionsvertreter abzieht.
Vor allem aber auch die österreichische Politik hätte viel mehr lästige Fragesteller nötig: Bei Pröll hat man etwa in dem Studiogespräch zu seiner Privatstiftung, über das er sich hinterher beschwerte, direkt gesehen, dass er es nicht gewohnt ist, herausgefordert zu werden; dass es – und das ist das entscheidende – für ihn vielmehr selbstverständlich ist, dass sich Journalisten mit dem begnügen, was er so sagen möchte. Das kann man jetzt vieles nennen; demokratiepolitische Normalität darf das jedoch nicht sein. Ein Interview kann nicht Teil einer Inszenierung oder einer Show sein, die ein Regierungs- oder Oppositionsvertreter abzieht; es sollte vielmehr auch im Sinne des Wählers helfen, herauszufinden, was Sache ist.
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Und das ist unter Umständen natürlich unangenehm für Politiker. Daher nehmen sie, wie eben Pröll, unliebsame Journalisten, wie eben Wolf, ins Visier. Oder sie fangen an, sich gar keinen Fragen mehr zu stellen. Puls 4-Infochefin Corinna Milborn hat vor wenigen Tagen auf diesen Trend hingewiesen, als sie mit dem „Robert-Hochner-Preis“ ausgezeichnet wurde. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat das Pressefoyer nach dem wöchentlichen Ministerrat abgeschafft; er tritt nur noch dann vor die Mikros, wenn er möchte. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) meidet auch den Küniglberg; seit sechs Jahren Regierungsmitglied, kam er erst ein Mal einer Einladung in die ORF-Pressestunde nach. Und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat überhaupt einen eigenen Infokanal; über „Facebook“ kann er sich direkt an Hunderttausende wenden, wie es ihm gefällt. Ein Journalist, der zum Beispiel auf Widersprüche hinweist, stört da jedenfalls nicht.
Dieser Gastkommentar ist zunächst auf VIENNA.AT erschienen.