Am knallhärtesten

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ANALYSE. Die ÖVP reaktiviert Kurz’sche Asylpolitik und beginnt nebenbei, Kickl direkt anzugreifen. Aber nur, um ihm Wähler wegzunehmen.

Die ÖVP befindet sich im Wahlkampfmodus. Nicht, dass es schon einen Termin für einen Urnengang geben würde, die Partei glaubt jedoch, dass sie nicht früh genug damit beginnen kann. Sie ist weit von den 37,5 Prozent entfernt, die ihr Sebastian Kurz vor dreieinhalb Jahren beschert hat; und wenn schon Platz eins kaum zu verteidigen sein wird, geht es für sie darum, die SPÖ hinter sich zu lassen und möglichst nahe an die FPÖ heranzukommen.

Hauptmitbewerber ist vorerst die FPÖ: Sie bleibt das, auch wenn Hans Peter Doskozil zum SPÖ-Vorsitzenden gekürt werden sollte. Er würde ihr das Bemühen, potenzielle Herbert Kickl-Wähler zu überzeugen, „nur“ schwerer machen. Das aber hat sie ohnehin schon eingepreist, wie man so sagt.

Der Geist von Sebastian Kurz ist reaktiviert. Es geht um asylpolitische Akzente, ein Bekenntnis zu Verbrennungsmotoren und noch einmal asylpolitische Akzente. Kurz hatte dazu 2016 in einem Interview mit der deutschen „Welt“ erklärt, dass es „nicht ohne hässliche Bilder“ gehen werde. Gemeint war eine Abwehr von Flüchtlingen an EU-Außengrenzen: „Es kann aber nicht sein, dass wir diesen Job an die Türkei übertragen, weil wir uns die Hände nicht schmutzig machen wollen.“

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat nun ebenfalls eine deutsche Zeitung gewählt, um Akzente zu setzen. Er stellte in der „Bild“ einen „knallarten Flüchtlingsplan“ vor. Das heißt zwischen den Zeilen zwar, dass Kurz genauso wenig zusammengebracht hat wie ehemalige Innenminister, darunter Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka, aber das lässt sich ja vergessen machen: Schuld ist laut Karner die EU: „Das europäische Asyl-System ist mittlerweile so kaputt, dass wir es neu machen müssen. Wir müssen voll auf die Asyl-Bremse steigen.“

So solle es „weniger Sozialleistungen“ für Geflüchtete geben sowie Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. In bestimmten Regionen, wie z.B. Damaskus, lässt es sich im Bürgerkriegsland leben, wie Karner vermittelt, um allerdings hinzuzufügen, dass er nicht Kinder und Frauen dorthin zurückführen möchte, sondern „Straftäter und Gefährder“. Und in Bezug auf Afghanen stellt er die rhetorische Frage: „Wieso soll ich einen Taliban nicht wieder nach Afghanistan zurückbringen?“ Worauf man mit der rhetorischen Gegenfrage antworten könnte: „Wieso soll ein Taliban aus Afghanistan flüchten?“

Bezeichnend: Karner greift hier zwei Nationalitäten heraus, die in der Asylstatistik zwar führend sind. Er verschweigt aber, dass die Mehrheit der syrischen Antragsteller noch immer Asyl gewährt bekommt, also nachvollziehbare Fluchtgründe vorweisen kann; und dass mittlerweile eine deutliche Mehrheit der afghanischen Antragsteller Österreich als Transitland betrachtet, also einreist, um weiterzureisen.

Doch das spielt keine Rolle: Asylpolitik ist Inszenierung. Es geht nicht darum, etwas zu lösen, sondern etwas darzustellen und das Ganze nicht Herbert Kickl allein zu überlassen. Dafür wird er zunehmend auch direkt angegriffen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker forderte vor wenigen Tagen einen „Kickl-Stopp“ und die Volkspartei twitterte wenig später, Kickl habe als Innenminister nichts gegen Parallelgesellschaften unternommen und „die verheerendsten Ausschreitungen zu verantworten“. Gemeint waren unangemeldeten Demonstrationen in Wien-Favoriten, darunter laut einem hinzugefügten Zeitungsausschnitt eine „Kurden-Demo“. Dass Kickl jetzt, anlässlich der jubelnder Erdogan-Anhänger in der Stadt, „den großen Maulhelden“ spiele, ist für die Volkspartei „unglaubwürdig“.

Andererseits hat die ÖVP selbst ein Glaubwürdigkeitsproblem im Umgang mit dem FPÖ-Chef: In der Sache hat sie kein nennenswertes Problem mit ihm. Darauf weist ihre Koalition mit rechtsextremen Blauen in Niederösterreich hin und dass sie sich auf eine solche auch auf Bundesebene einlassen könnte. ÖVP-Klubobmann August Wöginger schließt eine Bündnis mit Kickl jedenfalls nicht aus.

Das unterstreicht: Es geht der Partei nicht um inhaltliche Bedenken; im Gegenteil, in der Asylpolitik, aber auch in der Klimapolitik (Stichwort „Autoland“) ist die Übereinstimmung groß. Es geht ausschließlich um ein Werben um dieselben Wähler: Ihnen will man signalisieren, dass die ÖVP die bessere FPÖ sei.

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