Alois Stöger, der letzte Mohikaner

ANALYSE. Die Bundesregierung ist nach rechts gerückt. Geschlossen? Nein: Der Sozialminister ist seiner bisherigen Linie treu geblieben. 

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ANALYSE. Die Bundesregierung ist nach rechts gerückt. Geschlossen? Nein: Der Sozialminister ist seiner bisherigen Linie treu geblieben.

Die Geschichte erinnert an die eines Gymnasiaten, der immer brav in der ersten Reihe sitzt und von seinen Mitschülern kaum wahrgenommen wird, nach der Matura aber dazu ansetzt, groß durchzustarten: Alois Stöger ist seit acht Jahren Regierungsmitglied. So unauffällig wie er bisher meist aufgetreten ist, kann man das kaum glauben. Plötzlich aber ist er groß da: Gewerkschafter feieren ihn schon, nachdem er alle ÖVP-Pensionsreformwünsche ohne weitere Anstrengungen abgewehrt hat. Vor allem aber entwickelt er sich zum letzten Hoffnungsträger die verbliebenen Linken in seiner Partei, der SPÖ.

Dass es in absehbarer Zeit zu einem Führungswechsel kommt, glaubt kaum noch ein Sozialdemokrat: Warum soll sich etwa ein Christian Kern an die Spitze hieven und dann bis zur Nationalratswahl 2018 vom Koalitionspartner piesacken lassen? Also müssen diejenigen, die auf eine Erneuerung drängen, auf diejenigen setzen, die da sind. Und zu denen zählen Klubobmann Andreas Schieder und nur noch ein Regierungsmitglied: Sozialminister Alois Stöger.

Bundeskanzler Werner Faymann und sein Mann fürs Grobe, Josef Ostermayer, haben Hans Peter Doskozil als Verteidigungsminister engagiert, um gemeinsam eine Kursänderung vorzunehmen. Von Mitte-Links auf ganz Rechts. Von Nein zu Grenzzäunen, Obergrenzen etc. auf Ja. Wie weit der Kursänderung geht, zeigt sich auch darin, dass es plötzlich auch Überlegungen gibt, den Zustrom von EU-Bürgern aus osteuropäischen Nachbarstaaten einzudämmen. Oder Vorstöße zur Kürzung von Sozialleistungen für Fremde kaum noch hörbar zurückgewiesen werden.

Der Sozialminister mag mit seiner neuen Rolle einiges riskieren; das kann er sich jedoch leisten. 

Stöger ist der einzige Sozialdemokrat auf Bundesebene, der die Kursänderung nicht nur nicht mitgemacht hat, sondern seine bisherige Haltung mehr denn je betont. Das ist diese Woche gar auch der Süddeutschen Zeitung eine eigene Geschichte mit dem Titel „Anwalt der Flüchtlinge“ wert gewesen; in Österreich ist das dagegen noch kaum jemandem aufgefallen. Wie auch immer: Eine Kürzung von Sozialleistungen für Asylwerber ist für den 55-Jährigen „völkerrechtswidrig“. Und die ganze Diskussion über die Mindestsicherung ist seines Erachtens überhaupt verwerflich, wie er gegenüber der Tiroler Tageszeitung betonte: „Am meisten ärgert mich, dass Emotionen, die gegen Flüchtlinge bestehen, dazu verwendet werden, Österreichern etwas wegzunehmen.“

Auch gegen die Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland will er nicht in dem Sinne vorgehen, wie es etwa der Kanzlerberater, AK-Direktor Werner Muhm, tun möchte: „Ich mache kein Paket gegen Arbeiter aus Oststaaten“, so Stöger.

Der Sozialminister mag mit seiner neuen Rolle einiges riskieren; das kann er sich jedoch leisten. Faymann war nie sein großer Freund; zu oft stand er bereits vor einer Ablöse. Mittlerweile aber muss er nichts mehr zu befürchten: Nach dem Abschied von Ex-ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer aus der Regierung ist er der große Gewerkschaftsmann ebendort. Und als solcher ist er für den Kanzler unantastbar geworden.

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