ANALYSE. Der Ruf nach einer EU-Armee mag gut gemeint sein. In Zeiten von Orbáns Ungarn und Salvinis Italien ist das jedoch eine zu bedrohliche Vorstellung.
Kann man im Winter 2019 von Vereinigten Staaten von Europa sowie einer eigenen Armee dafür reden? Natürlich. Das Problem ist jedoch, dass es unter den gegenwärtigen Umständen nicht nur illusorisch, sondern auch bedrohlich und damit zumindest für Politiker gefährlich ist: Zum einen sind die Kräfte, die daran mitwirken könnten, schwach wie nie. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plagt sich mit den Gelbwesten herum und hat seine Reformagende zu einem erheblichen Teil bereits aufgegeben. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel steht vor ihrem Abschied und tut sich nicht einmal mehr eine Diskussion über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen an.
Zunehmend an Gewicht gewinnt dagegen dieses Europa: ein nationalistisches, das von Österreich über Italien und Polen bis Ungarn reicht und das an sehr Grundsätzlichem rüttelt. Siehe Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und die Menschenrechtskonvention. Oder Matteo Salvini, Jaroslaw Kaczynski und Viktor Orbán, die eine Kampfansage an die liberale Demokratie verkörpern.
Jetzt geht es darum, den Abbruch Europas zu stoppen. Sonst geht so oder so gar nichts mehr.
Da ist es nicht besonders erfolgversprechend für die NEOS, eine gemeinsame Armee zu fordern und auch gleich hinzuzufügen, dass man die Neutralität allenfalls aufgeben würde. Spitzenkandidatin Claudia Gamon mag sich damit demonstrativ bemühen, dem antieuropäischen einen klar proeuropäischen Standpunkt entgegenzusetzen. Einen nämlich, bei dem möglicherweise nicht einmal mehr Othmar Karas (ÖVP) mitgehen kann. Ziel: Wer wirklich für Europa ist, kann nur pink wählen.
Das Problem ist jedoch, dass die Art und Weise, wie die NEOS das anlegen, nach hinten losgeht: Wer heute etwas für Europa tun will, muss sich mit den Orbàns, Kaczynskis und Salvinis auseinandersetzen. Oder mit der österreichischen Regierung, die mit Grenzkontrollen und der Indexierung von Familienleistungen auch alles andere als integrationsfreundlich agiert. Im Klartext: Jetzt geht es darum, den Abbruch Europas zu stoppen. Sonst geht so oder so gar nichts mehr.
Das wäre ein Militär mit Ländern, mit denen man lieber nichts zu tun hat.
Das ist das eine. Das andere sind die Vorstellungen, die im Winter 2019 immer auch mit einer supranationalen Armee einhergehen: Das wäre ein Militär mit Ländern, mit denen man lieber nichts zu tun hat. Aber auch einem Österreich, dessen Außenministerin vor dem russischen Präsidenten auf die Knie fällt. Oder einem Frankreich, dass in naher Zukunft von Marine Le Pen geführt werden könnte. Das ist ein Albtraum, da ist man lieber wieder neutral, so gut es halt geht.
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