ANALYSE. Das Verhalten der SPÖ-Spitze in der aktuellen Flüchtlingskrise erklärt den Niedergang der Partei sehr eindrucksvoll.
Ganz brutal formuliert gibt es zur Flüchtlingskrise auf Lesbos nur zwei Antworten: Man spricht sich dafür aus, Leute rauszuholen; oder man ist dagegen und redet allenfalls nur von Hilfe vor Ort. Ersteres tun der Bundespräsident, die Neos und – zumindest privat – Grüne. Zweiteres tun die türkise Volkspartei und – ohne Hilfe vor Ort – die Freiheitlichen. Ja, das ist jetzt sehr stark vereinfacht. Andererseits: Im Parteienwettbewerb geht es letztlich immer darum, eine Sache auf den Punkt zu bringen.
Womit wir beim Endlosproblem der Sozialdemokratie angelangt wären: Zu Flucht und Migration findet sie keinen Standpunkt, der eines der beiden größeren Lager wirklich überzeugend ansprechen würde. Weder das, das dem offen gegenübersteht, noch das, das am liebsten alle Grenzen dichtmachen würde.
Ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür ist die SPÖ-Position zu aktuellen Flüchtlingskrise: Die Fragestellung (auf die die Partei keinen Einfluss hat) lautet, ob Österreich Frauen und Kinder aufnehmen soll oder nicht. Die sozialdemokratische Antwort lautet „jein“.
ORF.AT berichtete Ende vergangener Woche zwar, dass sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner „nach längerem Zögern“ erstmals für eine Aufnahme ausgesprochen habe. Was folgte, waren jedoch zwei Aber: Er sollte sich ausdrücklich um „Einzelhilfe“ handeln. Und: Es sollte kein nationaler Alleingang werden, sondern eine Aktion mehrerer EU-Staaten.
Was – nebenbei bemerkt – wiederum an die SPÖ-Position zur CO2-Steuer erinnert: Ja, aber nur EU-weit. Womit man in Kenntnis der unterschiedlichen Positionen der Mitgliedsländer davon ausgehen kann, dass das eh nie kommen wird bzw. zum Ausdruck gebracht wird, dass man die Steuer in Wirklichkeit gar nicht will.
Gut, die Einzelhilfe mehrerer EU-Staaten geht nun nicht ganz so weit. Auch in diesem Fall handelt es sich jedoch um eine Relativierung, auf die die NEOS zum Beispiel verzichten. Sie sagen: „Holen wir 500 Flüchtlinge aus griechischen Lagern. Und Punkt.“ Dafür wird es in Österreich zwar keine Mehrheit geben, die Partei hat aber Stellung bezogen.
These: Die SPÖ traut sich so etwas gar nicht. Mehrere Bürgermeister mögen sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aussprechen, der allerwichtigste von ihnen will wenige Monate vor seiner Gemeinderatswahl jedoch nichts davon wissen: Michael Ludwig. Eigentümliches Argument: Da es keine solidarische Aufteilung innerhalb der EU gibt, sehe er aktuell keinen Anlass, Menschen aufzunehmen. Anders ausgedrückt: Wir können sie nicht holen, weil sich unter anderem Ungarn und Polen weigern, dies ebenfalls zu tun.
Das Dilemma der Sozialdemokratie: Sie hat schon in der Vergangenheit sehr viele Wählerinnen und Wähler an ÖVP und FPÖ verloren, weil diese eine unmissverständlich-restriktive Flüchtlings- und Migrationspolitik betreiben. Da mag sie nicht dagegenhalten, um nicht noch mehr Einbußen zu erleiden. Andererseits begründet das eine Art Weder-Noch-Politik, die eine gewisse Verwechsel- bzw. Verzichtbarkeit mit sich bringt.
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