ANALYSE. Für ÖVP-Chef Kurz hat der Wahlkampf seinen bisher heikelsten Punkt erreicht.
Versuche, dem „Falter“ grundsätzlich jede Glaubwürdigkeit abzusprechen, sind misslungen: Auch die jüngste Geschichte der Wiener Wochenzeitung über angebliche Zahlen aus der neuen Volkspartei geht durch alle Medien. Wobei sie diesmal besonders brisant sind. Sie sind nämlich für Herr und Frau Österreicher greifbar geworden.
Die ÖVP hatte laut „Falter“ Ende 2017 nach einem kostspieligen Wahlkampf Bankverbindlichkeiten von 18,5 Millionen Euro. Das überrascht nicht: Wie dieSubstanz.at bereits berichtet hat, lässt sich anhand der Rechenschaftsberichte ermitteln, dass die Partei von 2013 bis 2017 alles in allem um rund 20 Millionen Euro mehr Kredite aufgenommen als zurückbezahlt hat. Das war viel mehr als alle anderen Parteien zusammen. Wirklicher Aufreger war das jedoch nicht. Wie auch? In Relation zu den Milliardenbeträgen, mit denen zum Beispiel Regierungspolitiker ansonsten zu tun haben, sind 18,5 oder 20 Millionen Euro gar nichts. Und gemessen an den Beträgen, mit denen Herr und Frau Österreicher im Alltag so zu tun haben, ist es wiederum unvorstellbar viel.
Ganz anders ist das beim „Falter“-Bericht darüber, wie viel „Friseur-Kosten und Make-Up des Instagram-Kanzlers“ ausgemacht hätten, die die Partei getragen habe: Bis zu 600 Euro seien das gewesen. Auch dazu könnte man jetzt sehr viel Relativierendes einwenden. Etwa, dass es auf den Zeitraum ankomme. Oder dass sich eine solche Summe bei jemandem, der andauernd in der Öffentlichkeit steht und daher immer etwas gleichschauen sollte, allemal ergeben könne.
Ob das Herr und Frau Österreicher überzeugt, die Kurz gerade mit einer demonstrativen Bescheidenheit umwirbt, ist jedoch fraglich: Diese Leute wissen unter Umständen gar nicht, dass es möglich ist, für Friseurkosten gar nicht selber aufkommen zu müssen. Und zweitens zahlen sie selbst nur einen Bruchteil davon. Extremfall: In der Wiener Lerchenfelder Straße gibt’s für Männer den Haarschnitt schon um zehn Euro. Da bekommen 600 Euro eine ganz andere Bedeutung – auch wenn der Vergleich in Wirklichkeit hinten vorne hinken mag.
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Wie verhängnisvoll solche Geschichten werden können, hat Ex-Kanzler und -ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel im Nationalratswahlkampf 2006 erfahren. Damals wurde kolportiert, dass für seine Schwiegermutter eine Pflegerin illegal beschäftigt werde. Später wurde bekannt, dass das nicht korrekt war. Doch das war nach der Wahl, die Schüssel verloren hatte. Trotz Bawag-Affäre.