ANALYSE. Erst jetzt wurde bekannt, wie Karl Nehammer zum Parteichef gewählt worden ist. Es zeigt, wie schlecht es der ÖVP geht.
Irgendwer hat einmal gesagt, dass die Qualität der Demokratie auch davon abhänge, wie sie in den Parteien gelebt werde. Insofern muss man sich Sorgen machen: In der Mediokratie zählt Inszenierung mehr denn je. Dazu gehört es, so zu tun, als wären die Reihen geschlossen. Debatte gilt als Schwächezeichen; es steht zu sehr für Streit und im schlimmsten Fall sogar Spaltung. Ein Ergebnis davon ist, dass Parteitage zunehmend uninteressant werden. Und dass die 100 Prozent, die Karl Nehammer bei der Wahl zum Obmann auf dem ÖVP-Bundesparteitag am vorvergangenen Samstag erhielt, von vornherein nur bedingt aussagekräftig, um nicht zu sagen peinlich waren.
Sehen die Delegierten nicht, dass der Kurs von Nehammer in wesentlichen Teilen diffus-offen ist? Dass sich die Partei unter seiner Führung nicht stabilisiert hat, sondern Gefahr läuft, hinter die Freiheitlichen zurückzufallen? Offenbar ist ihnen das nicht so wichtig. Erklären hatte man sich das zunächst nur so können, dass sie schlicht dankbar und froh sind, dass sich mit Nehammer einer gefunden hat, der bereit ist, nach Kurz den Kopf hinzuhalten und auf eine nicht abwendbare Wahlniederlage zuzusteuern.
Jetzt ist klar, dass die Obmannwahl schlicht manipuliert war. Wobei: Er war der einzige Kandidat, es handelte es sich genau genommen um eine Abstimmung. Korrekt wäre jedoch auch in diesem Fall gewesen, allen Delegierten einen Stimmzettel auszuhändigen und sie in eine Wahlzelle zu bitten; dort hätten sie die Frage, ob er Obmann werden solle, mit Ja oder Nein beantworten können.
Gelaufen ist es ganz anders, wie Josef Votzi im Trend aufgedeckt hat: Delegierte erhielten einen vorgedruckten Stimmzettel mit „Karl Nahmmer“ ohne Option für Ja oder Nein. Der Stimmzettel war de facto ein Ja ohne Alternative. Außerdem war es folgendermaßen, wie Votzi berichtet: „Hätte man die Wahlzellen benutzt, hätte jeder sofort gesehen, dass man offenbar etwas anderes vorhat, als Nehammer zu wählen”, resümiert ein Delegierter. Wobei: Was hätte man tun können? „Karl Nehammer“ durchstreichen? Votzi weiter: „Die einzige Option, anders als für Nehammer zu stimmen, wäre derart gewesen: Ein leeres Kuvert in die Urne einzuwerfen, also eine ungültige Stimme abzugeben. „Da hätte man aber schon sehr geschickt sein müssen, den Stimmzettel auf dem kurzen Weg von der Ausgabestelle zur Wahlurne diskret rausziehen und verschwinden lassen müssen”, räsoniert ein ÖVP-Mann.“
Das sind zutiefst türkise Methoden, die Demokratie-Standards nicht einmal mit Füßen treten, sondern die schlicht pfeifen auf ebensolche. Von einem Neustart kann Nehammer unter diesen Umständen kaum reden. Dabei ist auch unabhängig davon schon gleich nach dem Parteitag erkennbar geworden, wie relativ die 100 Prozent sind: Sein Vorstoß, eine Gewinnabschöpfung bei Energiekonzernen vorzunehmen, wird in der ÖVP eher nur elegant ignoriert. Dabei hätte er gerade damit groß aufzeigen wollen. In Tirol lehnt Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) auch nur eine größere Gewinnausschüttung bei der TIWAG ab. Und auf Bundesebene meint Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), irgendwann profitiere die öffentliche Hand ohnehin von Dividendenzahlungen: „Die Frage ist, muss man das zeitlich vorziehen oder nicht“, so der Minister weiter: „Ich glaube in diesem Fall, dass es Möglichkeiten gibt, die besser funktionieren als eine Sondersteuer.“ Da bleibt wohl nichts mehr übrig von einer Gewinnabschöpfung.
Auch „Message Control“-Methoden werden von der ÖVP gerne noch immer praktiziert. Nur: Sie kommt damit nicht mehr durch bei der größten Zeitung, der „Krone“. Die Pressesprecherin von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) lehnte es ab, dass dieser von „Tierexpertin“ Maggie Entenfellner interviewt wird. Zum Termin kam zwar ein anderer „Krone“-Redakteur, der das aber sehr klar thematisierte und gleich in der ersten Frage wissen wollte, was er, Totschnig, gegen Entenfellner habe (nichts). Und der in der letzten Frage berichtete, der Pressesprecherin sei es im Vorfeld wichtig gewesen, dass auch Persönliches thematisiert werde. „Also: Was ist Ihre Lieblingsfarbe?“ Totschnig: „Grün.“ Krone: „Danke für das Gespräch.“
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