Angriff aufs Parlament

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ANALYSE. U-Ausschüsse nicht mehr parallel zu Strafverfahren tätig sein zu lassen, würde die Volksvertretung schwächen und es noch schwieriger machen, politische Verantwortung einzufordern.

Der Vorschlag klingt vernünftig; aber nur aufs Erste: U-Ausschüsse sollten nicht mehr parallel zu Strafverfahren tätig sein. Immerhin nützen Auskunftspersonen regelmäßig die Möglichkeit, gegenüber Abgeordneten zu schweigen, weil sie von der Justiz als Beschuldigte geführt werden und sich durch die Beantwortung von Fragen selbst belasten könnten. Außerdem gelangen – auch zum Leidwesen der Staatsanwaltschaft – immer wieder Aktenteile übers Hohe Haus an die Öffentlichkeit.

ÖVP-PolitikerInnen wie Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sind hier ausnahmsweise einer Meinung mit Staatsanwälten (bzw. deren Standesvertretung): Erst wenn ein Strafverfahren beendet ist, soll es grünes Licht für einen allfälligen U-Ausschuss geben.

Bei allen Problemen, die damit vermieden werden könnten, haftet dem allerdings ein Geruch an: Wie die Forderung, die Wahrheitspflicht vor dem U-Ausschuss abzuschaffen, die im Frühjahr ausgerechnet von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erhoben wurde, wäre das gegen parlamentarische Kontrolle gereichtet und würde es noch schwieriger machen, politische Verantwortung einzufordern.

Politische Verantwortung ist in Österreich ohnehin etwas Vernachlässigtes: Als erlaubt und möglich gilt eher nur, was gesetzlich nicht ausdrücklich verboten ist. Politische Verantwortung geht jedoch weiter. Sie verbietet es beispielsweise, einer Kirche (oder wem auch immer) aus irgendwelchen Rachegelüsten „Vollgas“ zu geben. Oder einen Freund ohne ausreichende Kompetenzen zum Vorstand einer Gesellschaft machen zu lassen. Oder Fakten bei allerlei Entscheidungen auszuklammern und sich eher nur an allgemeinen Stimmungen zu orientieren: Gerade in einer Pandemie kann eine Vernachlässigung der politischen Verantwortung im Rahmen der Gesetze schwerwiegende Folgen für viele haben – ob gesundheitlich, wirtschaftlich oder sozial.

Der ehemalige Staatsanwalt Walter Geyer, der nun auch das Anti-Korruptions-Volksbegehren mitträgt, hat im ZIB 2-Interview darauf hingewiesen, dass Strafverfahren lange dauern können; und dass man einen U-Ausschuss, der dann erst nach „sechs, sieben, acht Jahren“ tätigt werden darf, „wahrscheinlich vergessen“ kann.

Man muss sogar noch viel weiter gehen: Ein solcher Nachrang würde auch bedeuten, dem Parlament im Allgemeinen und der parlamentarischen Kontrolle Nachrang zu geben. Sie würde als „nicht so wichtig“ eingestuft werden. Oder als Instrument einer Staatsgewalt der zweiten Ordnung.

Umgekehrt wäre es schwer bis unmöglich, politische Verantwortung sinnvoll einzufordern. U-Ausschüsse wären dann eher zeithistorische Einrichtungen, die einen Beitrag zu einer besseren Geschichtsschreibung leisten könnten. Das ahnt man, wenn man sich vor Augen hält, wer die heutigen Parlamentsparteien vor sechs, sieben, acht Jahren geführt hat: Werner Faymann (SPÖ), Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Eva Glawischnig (Grüne) und Matthias Strolz (Neos) – durchwegs Leute also, die insofern nicht mehr politisch zur Verantwortung gezogen werden können, als sie diese ohnehin längst abgegeben haben.

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