ANALYSE. Der niederösterreichische Landeshauptmann ist bei weitem nicht nur für den überforderten Innenminister verantwortlich.
In Interviews pflegt der Landeshauptmann von Niederösterreich und De-facto-Chef der ÖVP gerne die Bundespolitik zu kritisieren und ihr die Arbeitsweise in seinem unmittelbaren Einflussbereich vorzuhalten. Damit macht er sich naturgemäß nicht nur Freunde; im Gegenteil, im Frühjahr begann es in den eigenen Reihen erstmals zu Rumoren. Von „Pröll-soll-weg-Tönen in der ÖVP“ berichtete die Tageszeitung „Die Presse“ damals. Aus nachvollziehbaren Gründen: Mehr denn je zeigt sich, dass der allmächtige Politiker Österreich nicht nur Glück bringt – vor allem durch seine Personalentscheidungen.
Innenminister Wolfgang Sobotka ist mit seinen Aufgaben hör- und sichtbar überfordert. Im Sommer etwa war er damit beschäftigt, seine Überlegungen zur Anwendung des Strafrechts für Flüchtlinge im Stundentakt zu ändern bzw. präzisieren, wie „Der Standard“ dokumentierte. Noch schwerer freilich tut er sich bei der Abwicklung der Bundespräsidenten-Stichwahl: Zuerst negierte er Probleme, dann erklärte er sie zum Grund für die Verschiebung des Urnengangs. Wobei er mit seinem Datumswunsch (Ende November und nicht Anfang Dezember, weil dann die Nikolo-Festivitäten beginnen) über die Grenzen hinaus für Unterhaltung sorgte.
Innenminister geworden ist Sobotka auf das Geheiß von Erwin Pröll im heurigen Frühjahr. Aus nachvollziehbaren Gründen wurde Pröll dabei vor allem aus der ÖVP heraus ein Vorwurf zuteil: Unmittelbar vor dem ersten Wahlgang für das Amt des Bundespräsidenten konnte diese Rochade, die allein landespolitisch motiviert war, nicht zum Vorteil des eigenen Kandidaten Andreas Khol sein.
Immerhin hatte er der Volkspartei im Hinblick auf die Präsidenten-Wahl schon einmal Probleme bereitet.
Gerade von Pröll hätte man sich da mehr Fingerspitzengefühl erwarten können: Immerhin hatte er der Volkspartei im Hinblick auf die Präsidenten-Wahl schon einmal Probleme bereitet: In letzter Minute hatte er Bundesobmann Reinhold Mitterlehner mitgeteilt, doch nicht selbst zu kandidieren. Woraufhin dieser über Nacht eine Alternative aus dem Hut zaubern und für diese – Andreas Khol – ebenso schnell eine Kampagne erstellen lassen musste. Dass das nicht gut gehen konnte, liegt auf der Hand.
Bemerkenswert ist, dass Pröll seine Finger schon bei der Bestellung von Sobotkas Vorgängerin in der Wiener Herrengasse, Johanna Mikl-Leitner, im Spiel hatte. Und dass Probleme, die es bei den bisherigen Präsidentschaftswahlen gegeben hat, auch ihrer politischen Verantwortung zuzurechnen sind: Wie der Verfassungsgerichtshof gezeigt hat, wurden Beamte und Wahlbeisitzer nur unzureichend über ihre Pflichten aufgeklärt. Dafür wäre letztlich das Innenministerium zuständig gewesen (Versäumnisse in diesem Bereich hat es zuletzt denn auch versucht wettzumachen).
… womit ihm auch dessen Niederlage nicht zu schaffen machen konnte. Doch das hat ja ohnehin noch keine tun können.
Zu seinem eigenen Glück zurückgehalten hat sich Pröll indes bei der ORF-Wahl im August: Dem Herausforderer von Generaldirektor Alexander Wrabetz, Richard Grasl, steht er zwar persönlich nahe; mit öffentlichen Unterstützungserklärungen hielt er sich jedoch zurück – womit ihm auch dessen Niederlage nicht zu schaffen machen konnte.
Doch das hat ihm ja ohnehin noch keine tun können: Die Vorgänger von ÖVP-Chef Mitterlehner, Josef Pröll und Michael Spindelegger, sind aufgrund mangelnder Erfolge zurückgetreten; Erwin Pröll war einst ihr Freund und entscheidender Förderer gewesen, ließ sie dann aber irgendwann einmal fallen.
dieSubstanz.at per Mail. Gratis. > Zum Newsletter