ANALYSE. Man sollte den sperrigen Konsultationsmechanismus nicht mehr länger unterschätzten: Gibt z.B. Wien die Möglichkeit, Kosten ganz einfach abzuwehren.
Beim Streit um den Pflegeregress hat Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) noch einmal Glück gehabt: Natürlich verlangen die Länder, die da höhere Kosten auf sich zukommen sehen, eine Art Abgeltung von knapp 466 Millionen Euro dafür. Auf ihren wirkungsvollsten Trumpf haben sie in der ganzen Geschichte, die im Zusammenhang mit dem Nationalratswahlkampf 2017 zu sehen ist, jedoch verzichtet: Sie hätten schon vor der Beschlussfassung im vergangenen Herbst ein Veto einlegen können; sie hätten sich also weigern können, von den Folgekosten auch nur einen Cent zu übernehmen, sodass der Bund gezwungen gewesen wäre, die volle Rechnung letzten Endes ohne weitere Verhandlungen allein zu tragen. Und basta.
Möglich gemacht hätte das der sogenannte „Konsultationsmechanismus“. Geregelt ist er in einem Gesetz aus dem Jahr 1999, das so sperrig ist, dass es kaum wahrgenommen wird; das in seiner weitreichenden Wirkung vom Verfassungsgerichtshof aber schon einmal bestätigt worden ist – und das man in den nächsten Wochen und Monaten, wenn die Regierung Vorhaben wie die Abschaffung der Notstandshilfe fixieren möchte, nicht unterschätzen sollte.
Praktisch läuft der Konsultationsmechanismus darauf hinaus: Beschließt eine Gebietskörperschaft, wie der Bund, eine Reform, die andere Gebietskörperschaften finanziell belastet, kann sich z.B. ein einziges Land weigern, diese Kosten zu übernehmen. Die Folge sind Gespräche im Konsultationsgremium, dem Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister, drei Vertreter der Länder sowie jeweils ein Vertreter des Städte- und des Gemeindebundes angehören. Dort muss es dann zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Sonst muss – in diesem Beispiel – der Bund die Kosten tragen.
Im Streitfall entscheidet der Verfassungsgerichtshof. Und genau das hat er auch schon einmal getan.
Im Streitfall, der vorprogrammiert ist, entscheidet der Verfassungsgerichtshof. Und genau das hat er auch schon einmal getan: Die Bundes-Eisenbahnkreuzungsvordung verpflichtet die Gemeinden zu baulichen Sicherungsmaßnahmen. Der Bund hat dabei jedoch eine Aufforderung der Gemeinden ignoriert, das Konsultationsgremium dazu einzusetzen. Die Folge: Das Höchstgericht entschied im Frühjahr 2014, dass der Bund die Kosten übernehmen muss.
In der Vergangenheit haben sich Bund und Länder in der Regel vorab auf Reformen verständigt. Zumal auf beiden Ebenen praktisch ausschließlich ÖVP- und SPÖ-Vertreter das letzte Wort hatten, war dies eher möglich. Das ist heute anders: Schwarz-Blau auf Bundesebene stehen allein drei SPÖ-geführte Landesregierungen gegenüber (Wien, Kärnten, Burgenland). Sie sind eher dazu geneigt, sich querzulegen – und haben mit dem Konsultationsmechanismus auch eine Möglichkeit abseits des Parlaments, sich durchzusetzen. Zum Beispiel, wenn die geplante Abschaffung der Notstandshilfe fixiert wird; das würde zu einer Verlagerung zur Mindestsicherung und damit auch zu den Länderbudgets führen. Am stärksten davon betroffen wäre das rot-grüne Wien, wo die meisten Notstandshilfebezieher leben.