Rechts vs. Links? Land vs. Stadt!

ANALYSE. Österreich ist polarisiert wie schon lange nicht mehr. Wobei sich ein genauerer Blick darauf lohnt: Wer die neue Bruchlinie ignoriert, verliert.

 
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ANALYSE. Österreich ist polarisiert wie schon lange nicht mehr. Wobei sich ein genauerer Blick darauf lohnt: Wer die neue Bruchlinie ignoriert, verliert.

Die Werte, die Bundespolitikern im APA/OGM-Vertrauensindex ausgewiesen werden, sind allesamt mäßig. Kanzler Sebastian Kurz steht mit 25 Punkten klar an der Spitze. Doch selbst das ist nicht berauschend: In der Vergangenheit haben es weniger talentierte Persönlichkeiten auf viel bessere Werte gebracht, Josef Pröll etwa auf 46 und Wilhelm Molterer auf 38 Punkte. Wie kann das sein? Ganz einfach: Kurz und Co. polarisieren – sie haben viele Anhänger, aber auch viele, die ihnen ausdrücklich misstrauen. Damit lassen sich relative Mehrheiten holen, Kanzler oder Minister „aller Österreicher“ zu sein, ist jedoch schwer bis unmöglich.

Das sind die politischen Verhältnisse im Jahr 2018. Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen: Wo verlaufen die Bruchlinien zwischen den Lagern, sofern überhaupt von Lagern gesprochen werden kann? Vorweg: Links und rechts sind zu unscharfe Zuordnungen dafür. Stattdessen ist es wohl besser, von Regionen zu sprechen bzw. davon, dass quasi der Wohnort einer Person zu einem wachsenden Teil auch ihren Standpunkt bestimmt.

Junge Erwachsene ziehen dort weg, wo sie keine Perspektive sehen und gehen dorthin, wo sie welche erwarten. 

Auf dieSbustanz.at wurde gerade aufgezeigt, in welchen Bezirken der Anteil der 25- bis 29-jährigen Frauen am höchsten ist und in welchen er am niedrigsten ist. Warum gerade dieses Geschlecht und diese Altersgruppe? Weil die jungen Erwachsenen die mobilsten sind. Sie ziehen dort weg, wo sie keine Perspektive sehen und gehen dorthin, wo sie welche erwarten. Dazu kommt, dass Frauen insofern beweglicher sind, als sie eher maturieren und in weiterer Folge eher studieren; und das geht nun einmal nur selten in der Peripherie.

Wie auch immer: Es ist kein Zufall, dass es in fast allen Bezirken mit hohem Anteil junger Frauen ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum insgesamt gibt. Und dass umgekehrt dort, wo der Frauenanteil sehr gering ist, ein Bevölkerungsrückgang existiert. Das sind Regionen, in denen ganz offensichtlich ziemlich große Perspektiven-, um nicht zu sagen Hoffnungslosigkeit besteht.

In den Bezirken mit hohem Frauenanteil und Bevölkerungswachstum hat die SPÖ zum Teil sogar kräftig zugelegt.

Doch gehen wir noch einen Schritt weiter: Wie schaut das Wahlverhalten in diesen Bezirken aus? In den Bezirken mit hohem Frauenanteil und starkem Bevölkerungswachstum hat die SPÖ bei der Nationalratswahl 2017 zum Teil nicht nur nicht verloren, sondern sogar kräftig zugelegt. In Wien-Währing etwa um acht Prozentpunkte. Zurückzuführen ist das nicht nur auf den Zulauf ehemaliger Grünen-Anhänger. Bemerkenswert ist, dass z.B. in Währing die ÖVP nur um fünf Prozentpunkte und die FPÖ gar nicht zulegte. Die FPÖ hat in diesen Bezirken überhaupt kaum gewonnen. Selbst in Wien-Donaustadt handelte es sich nur um eineinhalb Prozentpunkte. Sie war der SPÖ also nicht wirklich gefährlich.

Ganz anders schaut es in den Bezirken mit niedrigem Frauenanteil und Bevölkerungsrückgang aus. In Tamsweg, Leoben und Hollabrunn etwa hat die SPÖ durchwegs stärker verloren. Auf der anderen Seite aber hat vor allem die FPÖ massiver zugelegt, in Hollabrunn gar um neun Prozentpunkte.

Norbert Hofer war nicht dort erfolgreich, wo viele Ausländer leben, sondern dort, wo es kaum welche gibt.

All das passt zusammen mit einem Phänomen, das schon bei der Bundespräsidenten-Wahl aufgefallen ist: Norbert Hofer war nicht dort erfolgreich, wo viele Ausländer leben, sondern dort, wo es kaum welche gibt – und das ist ganz besonders in den ländlichen Regionen der Fall, in denen zunehmend auch Inländer nicht mehr leben können oder wollen. Dort können Freiheitliche am ehesten punkten, weil sie den Leuten am wirkungsvollsten erklären, wer angeblich schuld sei am Niedergang.

Was das für den Parteienwettbewerb bedeutet? Für die FPÖ besteht rein strategisch gesehen kein Handlungsbedarf. Für die ÖVP wohl auch nicht. Die ländliche Mehrheit ist ihnen zurzeit sicher. Schon eher etwas einfallen lassen muss sich die SPÖ: Wie kann sie außerhalb der Städte punkten? Eine Antwort ist nicht in Sicht. Mit „Mindestsicherung“ wird am Land genauso wenig zu holen sein wie mit dem Themenschwerpunkt „Mietpreissenkung“. Das braucht dort, wo ohnehin schon immer mehr Wohnraum freisteht, kaum jemand. Diese Leute benötigen eher jemanden, der ihnen eine Perspektive gibt.

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