GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER AUF VIENNA.AT. Arbeitslose, aber gut bezahlte Stadträte gehören abgeschafft. Doch das scheitert nicht zuletzt am FPÖ-Chef. Ausgerechnet an ihm.
„Sollen nicht amtsführende Stadträte abgeschafft werden“, wollte VIENNA.AT schon drei Wochen vor der Gemeinderatswahl von den Usern wissen. Ihre Antwort ist klar und deutlich gewesen: 98,72 Prozent stimmten mit „Ja“. Kein Wunder: Wer soll Verständnis dafür aufbringen, dass sich Wien arbeitslose Regierungsmitglieder leistet, die noch dazu extra bezahlt werden: 8583,30 Euro erhalten sie. Brutto pro Monat, 14 Mal jährlich.
Die Sozialdemokraten versprechen schon lange, den Unsinn zu beseitigen. Die Grünen haben angekündigt, dieses Ansinnen zu unterstützen. Doch von der ÖVP hört man gar nichts. Und von den Freiheitlichen gibt’s eine Überraschung: Sie wollen, dass die nicht amtsführenden Stadträte bleiben.
Dass es nicht amtsführende Stadträte überhaupt gibt, ist mit dem gut gemeinten Proporzsystem zu erklären: Größere Parteien sollten einander nicht mehr wie vor mehr als 100 und dann noch einmal vor 80 Jahren bekämpfen, sondern das Schicksal der Stadt und des Landes gemeinsam in die Hand nehmen. Mit der Zeit ist dieser Ansatz jedoch missbraucht worden. Rot-schwarzer Postenschacher ist eine Folge davon.
Die ÖVP duckt sich weg. Sie stellt einen nicht amtsführenden Stadtrat – und das ist gerade in Wien alles, was sie noch hat.
Nicht vorgesehen war in diesem System, dass es eines Tages nicht mehr zwei, sondern drei, vier oder gar fünf Parteien geben würde; und dass die stärkste Partei gar kein Interesse daran hat, mit allen zusammenzuarbeiten. Ein Ergebnis davon ist die Wiener Stadtregierung: Es sind zwar alle darin vertreten, auf Wunsch der SPÖ dürfen aber auch in Zukunft voraussichtlich nur die Grünen wirklich mitreden; sie erhalten folglich Zuständigkeitsbereiche, wie möglicherweise die Verkehrspolitik. FPÖ- und ÖVP-Vertreter werden dagegen zwar in der Regierung sitzen, aber eben ohne Kompetenzen – als nicht amtsführende Stadträte also.
Die SPÖ ist wie erwähnt dafür, dieses Proporzsystem abzuschaffen. An der Glaubwürdigkeit dieses Ansinnens ist jedoch zu zweifeln: Notwendig wäre eine entsprechende Änderung der Bundes-Verfassung. Und dass sich die Sozialdemokraten auf parlamentarischer Ebene jemals dafür eingesetzt hätten, ist nicht überliefert. Die ÖVP duckt sich wiederum weg. Sie stellt einen nicht amtsführenden Stadtrat – und das ist gerade in Wien alles, was sie noch hat.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat einen guten Grund für die Linie, die er da vorgibt; das macht die Sache nicht besser, aber nachvollziehbar:
Die Freiheitlichen sind indes so groß geworden, dass sie mit Johann Gudenus in Zukunft sogar einen nicht amtsführenden Vizebürgermeister haben werden. Den Posten, für den er gar 9441,60 Euro erhalten wird, nimmt er freudig an. Die Versuche, das zu rechtfertigen, sind jedoch durchschaubar: Als „Bürgerombudsmann“ will er sich hervortun. Ohne zusätzliche Kompetenzen könnte er das allerdings auch als einfacher Gemeinderat.
Also bleibt die bemerkenswerte Schlagzeile: „Ausgerechnet FPÖ klammert sich ans Proporzsystem“. Sie, die seit Jahrzehnten vorgibt, dagegen zu kämpfen. Kaum profitiert sie aber selbst davon, schaut’s anders aus. Doch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat einen guten Grund für die Linie, die er da vorgibt; das macht die Sache nicht besser, aber nachvollziehbar: Schon allein die Titel „nicht amtsführender Vizebürgermeister“ und „nicht amtsführender Stadtrat“ für freiheitliche Funktionäre suggerieren, dass sie nicht ausgegrenzt werden, sondern Verantwortung tragen. Und das zählt für sie. Dass sie daneben noch extra bezahlt werden, ist – auf Kosten der Steuerzahler – ein angenehmer Nebeneffekt, über den sie sich insgeheim freuen können.