ÖVP-Landesobleute unterschätzen Kurz womöglich

ANALYSE. Was die Vergabe von Nationalratsmandaten betrifft, hat der neue Parteichef deutlich größere Einflussmöglichkeiten als man ohnehin schon meinen könnte.

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ANALYSE. Was die Vergabe von Nationalratsmandaten betrifft, hat der neue Parteichef deutlich größere Einflussmöglichkeiten als man ohnehin schon meinen könnte.

Ein bisschen vermittelte der Vorarlberger Landeshauptmann und ÖVP-Chef Markus Wallner in der ORF-Pressestunde den Eindruck, als würde sich unter der Führung von Sebastian Kurz seines Erachtens jetzt auch wieder nicht so viel verändern bei den parteiinternen Machtverhältnissen. Natürlich hat der 30-Jährige mehr Kompetenzen bekommen. Summa summarum sollen Entscheidungen aber auch in Zukunft partnerschaftlich zustande kommen.

Das kann wirklich der Fall sein. Auf der anderen Seite aber sind die Einflussmöglichkeiten des neuen ÖVP-Bundesparteiobmannes auf die Vergabe von Nationalratsmandaten größer bzw. jene der Landesobleute geringer als man ohnehin schon meinen könnte.

Nachvollziehbar wird das, wenn man die geplante Vorgangsweise bei den Listenerstellungen und die gesenkten Hürden bei den Vorzugsstimmen zusammen betrachtet: Die Bundeliste darf Kurz allein erstellen; laut „Standard“ wird er dabei vor allem auf Quereinsteiger setzen. Bei den Landeslisten, die Wallner und Co. vor Ort erstellen, bekommt Kurz eine Vetomöglichkeit.

Die neuen ÖVP-internen Hürden bei den Vorzugsstimmen kommen erst recht Kurz zugute.

Jetzt kann man davon ausgehen, dass er diese nie in Anspruch nehmen muss. Denn das würde in etwa folgende Schlagzeile ergeben: „Riesenkrach in der Volkspartei“. Also werden „vor Ort“ von vornherein Kandidatenlisten erstellt werden, die auch den Vorstellungen von Kurz entsprechen. Wobei seine Vertrauten schon heute vom Boden- bis zum Neusiedlersee versuchen, Kandidaten zu engagieren. Gelingt ihnen das, werden sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus den genannten Gründen auch einen vernünftigen Listenplatz bekommen.

Und dann kommt die Wahl. Und da gelten die neuen ÖVP-internen Hürden bei den Vorzugsstimmen. Sie kommen erst recht Kurz zugute bzw. werden den Landesobleuten zusätzlich zu schaffen machen:

Auf der Bundesliste sind Umreihungen über Vorzugsstimmen kaum möglich. 2013 hätte nicht einmal „Vorzugsstimmensieger“ Kurz eine Vorreihung geschafft. 37.728 Stimmen hat er erreicht, 78.811 hätte er gebraucht. Nach den neuen ÖVP-internen Regeln wären 3,5 Prozent notwendig gewesen; doch selbst daran wäre Kurz knapp gescheitert, wären doch auch dafür noch 39.406 Stimmen nötig gewesen. Wobei diese Hürde theoretisch bewältigbar wäre. Praktisch jedoch kaum: Um genügend Vorzugsstimmen zusammenbringen zu können, wäre ein bundesweiter Vorzugsstimmenwahlkampf nötig. Und damit hätte die Bundespartei wohl keine Freude, stünde ein solcher doch in Konkurrenz zur „offiziellen“ Kampagne. Soll heißen: Kurz wird „seine“ Bundesliste locker unverändert durchbringen.

Anders schaut es auf regionaler Ebene aus. Die Listen der Landesparteien sind viel einfacher zu kippen. Wie auch Kurz aus eigener Erfahrung berichten könnte: In seinem Regionalwahlkreis Wien Süd-West wären für eine Vorreihung 2013 gerade einmal 3651 Vorzugsstimmen nötig gewesen. Hätten die neuen ÖVP-internen Regeln schon gegolten, wären es überhaupt nur 1825 gewesen. Erreicht hat Kurz damals jedoch 10.272 Vorzugsstimmen. Gebracht hat es ihm zwar nichts, weil er ohnehin schon auf Listenplatz eins gestanden ist, das Beispiel zeigt jedoch, dass eine Vorreihung über einen ordentlichen Persönlichkeitswahlkampf auf regionaler Ebene relativ locker möglich wird. Und das ist der Punkt: Angesichts der Grundstimmung für Kurz kann man aus heutiger Sicht davon ausgehen, dass „seine“ Kandidaten bei den Wählern allemal besser ankommen als andere, die im schlimmsten Fall nach alter Tradition von der Parteiorganisation mit einem Nationalratsmandat belohnt oder gar versorgt werden sollen – sie haben schon in der Vergangenheit nur sehr, sehr wenige Vorzugsstimmen bekommen.

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