ANALYSE. Dem Wiener Bürgermeister kommt der Wahlkampf gerade recht, um den Wohnbaustadtrat als Nachfolger ein für alle Mal zu verhindern.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat im Hinblick auf den Wahlkampf ein Riesenproblem: Seine Genossen in Wien, die ja sehr zahlreich sind, denken nicht daran, einer gewissen Erwartungshaltung gerecht zu werden. Also etwa eine Rolle zu übernehmen, die für die Gesamtpartei vielversprechend wäre. Zu sehr sind sie mit sich selbst beschäftigt. Genauer: Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) kommt der Wahlkampf gerade recht, um Wohnbaustadtrat Michael Ludwig als seinen Nachfolger ein für alle Mal zu verhindern.
Bisher hat Ludwig ja nicht wahrhaben wollen, dass seine Aussichten eher schlecht sind: Auf dem Landesparteitag wurde er als Spitzenfunktionär nur von zwei Dritteln der Delegierten bestätigt. Schon zuvor hatte er verhängnisvollerweise die Überzeugung vermittelt, der Weg für ihn sei bereits geebnet; und zwar nach Häupls Ankündigung, nach der kommenden Nationalratswahl zurückzutreten und sich in die Nachfolge nicht weiter einzumischen.
In Wirklichkeit wird Ludwig hoffentlich auch selbst wissen, dass das nicht der Fall ist. Schon Häupls „Zeitplan“ war allzu undeutlich: In einem Interview sagte er beispielsweise, dass er sich „maximal drei Monate“ nach dem Urnengang verabschieden werde, um gegenüber einer Zeitung wiederum zu relativieren, „ob es dann drei oder vier Monate sind, ist ja wurscht“.
Während Kern noch beraten lässt, hat Häupl bereits klargemacht, dass er gegen die Freiheitlichen mobilisieren werde.
Man kann also annehmen, dass sich Häupl so viel Zeit lassen wird, wie er braucht, um seinen Möchtegern-Nachfolger zu verhindern und seine Wunsch-Nachfolgerin oder seinen Wunsch-Nachfolger zu installieren. Zum Beispiel über eine entsprechende Wahlkampfstrategie: Während Kern noch darüber beraten lässt, unter welchen Umständen eine Koalition mit den Freiheitlichen möglich wäre, hat er bereits klargemacht, dass er dagegen mobilisieren werde: „Wenn man das anders will, muss man einen neuen Bundesparteitagsbeschluss herbeiführen.“
Wenn Häupl zur Verhinderung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aufgerufen hat, hat er noch immer seine (relativ) besten Wahlergebnisse erzielt. Das ließe sich nun auch erweitert gegen Schwarz-Blau machen. Doch das ist eine Nebensächlichkeit: Entscheidend ist, dass damit das, was in der Vergangenheit mit ziemlich vielen Wählern funktioniert hat, nun auch mit den eigenen Genossen klappen soll; sie sollen halt doch noch ein allerletztes Mal Häupl stärken.
Womit Ludwig nicht nur ein einfaches, sondern ein zweifaches Problem bekommt: Er steht da auch insofern auf der falschen Seite, als er den Freiheitlichen nicht gerade abgeneigt gegenübersteht. Rot-Blau nach burgenländischem Vorbild wäre unter seiner Führung jedenfalls auch in der Bundeshauptstadt denkbar.
Bemerkenswert sind im Übrigen die Nebelgranaten, die zur Michael-Ludwig-Verhinderung so explodieren.
Bemerkenswert sind im Übrigen die Nebelgranaten, die zur Michael-Ludwig-Verhinderung so explodieren. Stadträtin Sandra Frauenberger stellt sich öffentlich gegen ihn („kein einender“ Häupl-Nachfolge-Kandidat) – und wird als Parteilinke von Parteilinken umgehend als Alternative ins Spiel gebracht. Was, sofern das nicht bald wieder verstummt, wohl nur dazu dienen kann, einen Kompromisskandidaten durchzusetzen, der weder Ludwig noch Frauenberger heißt. Christian Kern zum Beispiel; für den Fall, dass er nach der Nationalratswahl am 15. Oktober auf der Oppositionsbank landet. Doch das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu absurd: „Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe“, muss selbst Häupl dazu sagen: Alles andere würde schließlich heißen, dass er an einem Kern-Erfolg zweifelt.
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