ANALYSE. Am Stammtisch ist die Partei chancenlos. In den Städten jedoch wächst ihr Potenzial.
Warum sich Grünen-Chefin Eva Glawischnig so sehr empört über die Aufforderung des Nationalratsabgeordneten Peter Pilz, mehr an die Stammtische zu gehen, ist schleierhaft. Dort, bei den kleinen Leuten am Land, ist die Partei ja wirklich fremd. Das verdeutlichen zwei Daten: Bei der Landtagswahl im Burgenland musste sie sich im vergangenen Jahr mit sechseinhalb Prozent begnügen. Bei der letzten Nationalratswahl kam sie laut einer SORA-Analyse bei den Arbeitern bundesweit nicht über fünf Prozent hinaus. Und das war nun selbst bei der Entscheidung um das Bundespräsidenten-Amt nicht viel anders; im Grünen wählten die Leute eher blau.
Das hat viele Gründe. In den Städten zählen wohl eher Themen wie Verkehr, ökologische Ernährung und Bildung zu denen, die die Menschen bewegen; da können die Grünen liefern. Am Land aber? Dort sind die existenziellen Nöte oft viel stärker vertreten: Arbeitslosigkeit, Abwanderung und vieles andere mehr; das wiederum zählt nicht zu den großen Kompetenzen, die den Grünen zugeschrieben werden.
Die Partei um Eva Glawischnig und Peter Pilz kann sich jedoch beruhigen: Man kann nicht alles haben. Zumal auch die Zeiten der Volksparteien vorbei sind und es nicht einfacher geworden ist, Lösungen anzubieten, die sowohl Akademiker in den Städten als auch Hackler am Land ansprechen, ist es vielmehr besser, sich auf ein Segment zu konzentrieren. Und da liegen die Grünen mit den urbanen Räumen eh nicht schlecht. Im Gegenteil: Wäre am 4. Dezember nur in den Landeshauptstädten gewählt worden, Alexander Van der Bellen hätte 61,1 Prozent erreicht (siehe Grafik).
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Das Potenzial wird zudem noch größer: Erstens, die Städte wachsen viel stärker als die ländlichen Regionen, sofern diese nicht überhaupt schrumpfen. Allein die Einwohnerzahl Wiens ist in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen. Zweitens, der Bildungsstand der Bevölkerung nimmt zu. In Wien ist fast schon jeder Vierte Hochschulabsolvent. Und diese Gruppe weist bekanntlich die größte Nähe zu den Grünen auf – auch Van der Bellen kam in ihr zuletzt auf 85 Prozent.